Kinder- und Jugendpsychiatrie: Nun soll's der Bundesrat richten

Der Nationalrat verlangt, dass der Bundesrat in die Kompetenz der Kantone und der Tarifpartner eingreift.

, 12. Juni 2024 um 15:58
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Diana Gutjahr, SVP-Nationalrätin aus dem Thurgau, kämpft dagegen, dass dem Bund wiederholt Aufgaben aufgetragen werden, die die Kantone zu lösen haben. | Screenshot Parlament
Der Nationalrat verlangt vom Bundesrat Massnahmen, um die Versorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie schweizweit sicherzustellen.
Dabei soll der Bundesrat die Tarifpartner beauftragen, differenzierte, kostendeckende Tarife in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auszuhandeln und den zuständigen Behörden zur Genehmigung zu unterbreiten.
Die entsprechende Kommissionsmotion hat der Nationalrat am Mittwoch gutgeheissen.
Es macht aber ganz den Anschein, dass hier die Mehrheit der Ratsmitglieder einfach mal ihr Unbehagen kundtun und Handlungsbedarf dokumentieren wollten.

Nicht umsetzbar

Wie Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ausführte, ist die Motion in dieser Form gar nicht umsetzbar: «Einerseits sind in erster Linie die Kantone für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung verantwortlich. Andererseits liegt die Feststellung der Tarife in der Verantwortung der Tarifpartner.»
Der Bundesrat könne nur eingreifen, wenn die Verhandlungen offiziell gescheitert sind, was derzeit nicht der Fall sei, sagte die Gesundheitsministerin im Nationalrat.
Diana Gutjahr gehörte zu jener Minderheit, welche die Motion ablehnt. Wie der Bundesrat verwies auch die SVP-Nationalrätin aus dem Thurgau auf die Kompetenz der Kantone.
Es könne nicht sein, dass die ungelösten Probleme stets nach Bundesbern verschoben würden, obschon die Kantone dafür verantwortlich seien. «Die Kantone sind gefordert. Die Gesundheitsdirektorenkonferenz ist gefordert», so die Thurgauer Unternehmerin: «Sie sollen die Probleme angehen und Lösungen präsentieren und nicht einfach nach Bundesbern schauen und nach Antworten fragen».

Vier Massnahmen

Dass im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie Handlungsbedarf besteht, ist unbestritten. Die Frage ist nur, ob und wer die Probleme lösen will. Mitte-Nationalrat Benjamin Roduit vertrat die Meinung, dass auch der Bund aktiv werden müsse. Er nannte vier Lösungsansätze:
1. Wir müssen psychologische und psychiatrische Beratungsangebote mit niedrigen Zugangsschwellen und rascher Verfügbarkeit in der ganzen Schweiz einrichten.
2. Wir brauchen kinderpsychiatrische Dienste, die über ausreichende Kapazitäten und ausreichend geschultes Personal verfügen.
3. Es muss eine einheitliche nationale Lösung geben, damit die Angebote allen Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen.
4. Wir müssen die Blockade zwischen den Tarifpartnern durch klare Regeln aufbrechen.
Ob das auch der Ständerat so sieht? Nach dem Ja der grossen Kammer wird die kleine Kammer darüber befinden müssen.

Nein zur Ausbildungsoffensive

Neben der Motion «Versorgungssicherheit der Kinder- und Jugendpsychiatrie» hat der Nationalrat noch über eine ähnlich lautende Standesinitiative des Kantons Solothurn zu befinden.
Auch sie verlangt, die Versorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie schweizweit sicherzustellen, indem eine nationale Tarifstruktur mit kostendeckenden Tarifen in der spital-ambulanten Kinder- und Jugendpsychiatrie geschaffen wird.
Die Standesinitiative will andererseits eine Ausbildungsoffensive für Fachpersonen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. «Dies ist keine Aufgabe des Bundes», sagte Nationalrätin Regine Sauter von der FDP. Das sieht auch die Mehrheit des Nationalrats so.
Sie befürchtet eine Präzedenzwirkung und Forderungen aus anderen Bereichen des Gesundheitswesens. «Die Ausbildung liegt in der Kompetenz der Kantone, und es fehlen eben auch in vielen anderen Bereichen dringend benötigte Fachkräfte», erklärte die Hplus-Präsidentin Regine Sauter.


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