Im Sommer 2020 hatten 27 der insgesamt 33 Mitarbeitenden der Centramed-Praxis in Zug ihre Kündigung eingereicht. Die Praxis ist inzwischen geschlossen. Viele
wechselten zu den Ärztezentren Deutschschweiz, die seit einem Jahr in Zug ein neues Praxiszentrum betreibt.
Hinter den Kulissen sorgte die Kündigungswelle für Unruhe und brachte mehrere Strafverfahren ins Rollen. Dies ist nun aus einem Urteil zu einem eher nebensächlichen Gerichtsstands-Konflikt bekannt geworden. Aufgedeckt hat dies die «Zuger Zeitung». In den eingereichten Strafanzeigen geht es unter anderem um Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses, ungetreuer Geschäftsbesorgung, versuchter Nötigung und sogar Bestechung.
Anzeige gegen die Ex-Leiterin des Zentrums
Die Firma Meconex, heute Centramed, wirft zum einen der ehemaligen Leiterin des Zuger Zentrums und medizinischen Leiterin aller Gesundheitszentren vor, sie habe die Abwanderung des ganzen Praxisteams an die Ärztezentren Deutschschweiz «orchestriert». Vorausgegangen seien verschiedene Treffen und Besprechungen, bei denen es um die konkrete Planung des Wechsels ging.
Dabei soll das ehemalige Geschäftsleitungsmitglied die Idee zum Verkauf an die Verantwortlichen der Ärztezentren herangetragen haben. Und es wurden vertrauliche Geschäftsunterlagen und Informationen weitergegeben. Bei ihr und den anderen Hausärzten des Zentrums habe eine grosse Unzufriedenheit bestanden und man hätte aktiv nach Möglichkeiten zum Wechsel zu anderen Organisationen gesucht, heisst es.
Strafverfahren auf Ex-Geschäftsführer ausgedehnt
Centramed bezeichnet das Vorgehen als eine «ungewöhnliche feindliche Übernahme». So hätten die Mitarbeitenden am 1. Juli 2020 gekündigt, bevor die Mitbewerberin am 8. Juli 2021 ein Übernahmeangebot gestellt habe. Das Unternehmen hat gleichzeitig Strafanzeige gegen den Geschäftsführer der Ärztezentren und gegen unbekannt eingereicht. Auch hier lautet der Vorwurf: ungetreue Geschäftsbesorgung und Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses.
Im Zuge der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren auch auf den ehemaligen Geschäftsführer der Firma Meconex ausgedehnt. Dieser arbeitete nach seinem Abgang Ende Oktober 2019 laut Staatsanwaltschaft als externer Berater für die Ärztezentren Deutschschweiz und wurde schliesslich deren Co-Geschäftsführer.
Hätte Job bei Telemedizin-Anbieter antreten sollen
Meconex verdächtigt ihn, bei der geplanten Übernahme der Zuger Praxis «eine aktive Rolle» gespielt zu haben. Er sei ein «enger Vertrauter» der Leiterin des Zuger Zentrums gewesen. Zudem soll der Mann versucht haben, den Bereich «Arbeitsmedizin» der Meconex an die Konkurrenz abzutreten. In diesem Zusammenhang soll er am Verrat von Geschäftsgeheimnissen beteiligt gewesen sei.
Er gilt laut Aktenlage als «Verbindungselement» für die laufenden Verfahren und sei mutmasslich zeitlich parallel in die geplanten Übernahmen der Centramed-Praxis und des Bereichs «Arbeitsmedizin» durch die Ärztezentren Deutschschweiz involviert gewesen. Unter anderem habe er die Unterlagen überprüft und entsprechend weitergeleitet.
In der Anzeige ist auch von einer möglichen Zusammenarbeit mit einem Telemedizin-Anbieter zu lesen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der ehemalige Meconex-Geschäftsführer per 1. August 2021 die Stelle als CEO bei diesem Unternehmen hätte antreten sollen. Dazu ist es aber aus unbekannten Gründen nicht gekommen. Der Mann arbeitet heute wieder als Chief Operating Officer bei einer privaten Klinikkette.
Und noch ein Mann im Visier der Justiz
Die Vorwürfe richten sich noch gegen eine weitere Person: Auch der damalige Leiter des Bereichs «Arbeitsmedizin» und zwischen Oktober 2019 und April 2020 interimistische CEO der Sympany-Tochter Meconex ist von der Strafanzeige betroffen. Auch er soll vertrauliche, geschäftliche Unterlagen weitergegeben haben. Der Mann hat das Unternehmen inzwischen verlassen.
Was schliesslich von den Vorwürfen hängen bleibt, ist nun von den Strafverfolgungsbehörden gründlich abzuklären. Die zur Diskussion stehenden Delikte würden allesamt Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafen vorsehen. Mögliche Straftaten der Nötigung und der Bestechung Privater sehen denselben Strafrahmen vor. Hinzu kommen allfällige Einträge ins Strafregister sowie Verfahrens- und Anwaltskosten. Für alle Personen gilt die Unschuldsvermutung.