Spitalplanung: Weniger Reissbrett, mehr Qualitäts-Wettbewerb

In der Debatte um die Spitaldichte machen sich planwirtschaftliche Ansätze breit. Doch die sind kein Wundermittel. Es gibt bessere Lösungen – vor allem, wenn es um spezialisierte Behandlungen geht.

Gastbeitrag von Guido Schommer, 9. September 2024 um 14:05
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«Führt immer mehr Beplanung tatsächlich zur gewünschten Qualität und Kosteneindämmung? Die Erfahrungen zeigen eher das Gegenteil»: Autor Schommer.
Die kantonale Spitalplanung ist unter Druck: Ökonomen verlangen Spitalschliessungen, viele Spitalbetriebe sind kaum mehr wirtschaftlich betreibbar. Im Parlament sind zahlreiche Vorstösse hängig, die eine zentralere Planung verlangen oder mindestens – wie im Fall des nun traktandierten Postulats der nationalrätlichen Gesundheitskommission – die Klärung der Kompetenzen in der Gesundheitspolitik.
Die Geduld des Parlaments mit den Kantonen ist angesichts des anhaltenden Prämiendrucks strapaziert.
Guido Schommer ist Generalsekretär des Gesundheitsunternehmens- und Privatkliniken-Verbands Ospita.
Der Bundesrat beantwortet den legislativen Druck mit Hinweisen auf eine Verordnungsänderung, die 2022 in Kraft getreten war: Sie verlangt eine Koordinationspflicht für die Kantone in der Akutsomatik ab 2026 und in der Rehabilitation und Psychiatrie ab 2028. Aber das ist nicht viel mehr als ein Zwang, noch mehr Berechnungen anzustellen sowie nachweisen zu können, dass man miteinander gesprochen hat.
Die Versuchung ist deshalb gross, nun nach einer Zentralisierung der Planung oder mindestens nach verbindlichen Spitalregionen zu rufen.
Nach den 12 Jahren Departementsleitung durch SP-Bundesrat Alain Berset, der die Planungsschrauben in sämtlichen Bereichen anzog, ist es angezeigt zu fragen, ob immer noch mehr Beplanung tatsächlich zur gewünschten Qualität und Kosteneindämmung führt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen eher das Gegenteil.
«Die Kantone sollten weiterhin die Rolle als gesundheitspolizeiliche Qualitätskontrolle innehaben, aber nicht mehr Listen planen müssen mit immer differenzierteren Leistungsaufträgen.»
Es lohnt sich daher, vor einer nächsten Regulierungswelle zu fragen, ob es nicht alternative Wege gibt. Was ist in der stationären Versorgung wo wichtig? Die Bevölkerung legt offenkundig Wert auf eine gute und zuverlässige wohnortsnahe Versorgung immer dann, wenn die Gesundheit akut bedroht ist oder längere Spitalaufenthalte nötig sind, sowie im Notfall.
In diesen Bereichen sollen weiterhin die Kantone den Bedarf abschätzen und durch Leistungsverträge mit Spitälern die Versorgung sichern, welche Bevölkerung wünscht. Und im Bedarfsfall sollen die Kantone aus regionalpolitischen Gründen gemeinwirtschaftliche Leistungen finanzieren.
Wie sieht es aber aus bei Behandlungen, wo für den Zeitpunkt und den Ort der Spitalbehandlung mehr Freiheitsgrade bestehen? Da, wo die Spezialisierung und damit höhere Fallzahlen wichtig sind, damit die Qualität hoch gehalten werden kann? Da auch, wo sich hohe Investitionen in die Infrastruktur und ins Fachpersonal rechnen müssen?

Mehr Gewissheit für den richtigen Ort

Macht es in diesen Bereichen wirklich Sinn, weiterhin kantonal jeden einzelnen Fall auf Jahre voraus zu planen und mit riesigen Beträgen zu subventionieren?
Wie wäre es, diese spezielleren Behandlungen konsequent und schweizweit dem Qualitätswettbewerb auszusetzen und die Kantone von ihrer hochproblematischen Mehrfachrolle wenigstens in diesem Bereich zu befreien?
Die Kantone sollten in der spezialisierten Medizin die Rolle als gesundheitspolizeiliche Qualitätskontrolle selbstverständlich weiterhin innehaben, aber nicht mehr Listen planen müssen mit immer differenzierteren Leistungsaufträgen.
Dies könnte zum Beispiel gelingen, wenn ein Teil der Fallpauschalen (beispielsweise 25 Prozent) abhängig gemacht würde von Qualitätsindikatoren, die unabhängig und zuverlässig gemessen werden können (erweiterter ANQ-Katalog oder ähnlich).
Ein genügend starker wirtschaftlicher Anreiz für Qualität gäbe den Patientinnen und Patienten wie auch den Zuweiserinnen und Zuweisern die Gewissheit, sich für den richtigen Behandlungsort entscheiden zu können – anstatt für jenen, den die Gesundheitsdirektion ihres Wohnortskantons für sie vorgesehen hat.
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