Die kantonal umzusetzenden Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte sowie der von der Tariforganisation Ats-tms (bestehend aus Curafutura, MTK und FMH) vorgeschlagene Tardoc-Tarif haben auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun. Allerdings sind es keine voneinander unabhängigen Baustellen.
Deshalb präsentiere ich hier exemplarisch anhand der diagnostischen Radiologie, einem systemrelevanten Querschnittsfach, wie mit Tardoc und Höchstzahlen Sand ins Getriebe unseres Gesundheitssystems gestreut wird.
«Die Statistik zeigt: Die Kosten wurden in den letzten Jahren massgeblich durch sonographische Untersuchungen in Selbstzuweisung durch Ärztinnen und Ärzte verursacht, die gar nicht Radiologen sind.»
Zum Tardoc: Rechnerisch wird der Tardoc zu Umsatzeinbussen von durchschnittlich 20 bis 30 Prozent führen. Das ist für viele radiologische Leistungsanbieter existenziell bedrohlich. Pauschale Kostenreduzierung scheint das oberste Ziel zu sein. Die Tarife lassen kaum Zeit, um mit Patienten zu sprechen und die Untersuchungszeiten müssen nochmals deutlich verkürzt werden. Abstriche in der Qualität sind unumgänglich.
Das ist unverständlich, denn es gibt lediglich ein moderates Wachstum der Kosten der diagnostischen Radiologie zu Lasten der OKP, gleichzeitig aber einen sehr hohen Nutzen für das Gesamtsystem. Einer der grundlegenden Fehler ist die oberflächliche Betrachtung der Leistungsausgaben, welche über das Kapitel 39 (Bildgebende Diagnostik) des Tarmed verrechnet werden. Die Statistik zeigt: Die Kosten wurden in den letzten Jahren massgeblich durch sonographische Untersuchungen in Selbstzuweisung durch Ärztinnen und Ärzte verursacht, die gar nicht Radiologen sind. Die Radiologie ist ein Fachgebiet, welches ausschliesslich auf Zuweisung klinisch indizierte Untersuchungen durchführt. Wir kennen keine Selbstzuweisungen.
«Die Zukunft ist düster. Wird die Vergütung einer medizinischen Leistung defizitär geschrumpft, droht diese Leistung aus dem Angebot zu verschwinden.»
Unverständlich ist auch, dass wichtige präventive Untersuchungen wie zum Beispiel die Mammographie zur Früherkennung des Brustkrebses (betrifft jede 8. Frau in der Schweiz) mit Tardoc rund 50 Prozent tiefer vergütet würde.
Es ist davon auszugehen, dass dies nicht mehr kostendeckend wäre und grosse Anbieter die Untersuchung deshalb nicht mehr anbieten würden. Es ist nicht sachgerecht und inakzeptabel, wenn Kantone gross angelegte Screeningprogramme zur Krebsvorsorge propagieren, und die nötige Präventionsarbeit künftig nicht einmal kostendeckend durchgeführt werden kann.
Es ist auch nicht schlüssig, stets den Grundsatz zu propagieren, dass nur gute Qualität die Gesundheitskosten eindämmen kann und gleichzeitig tariflich so zu steuern, dass als erstes die Qualität der medizinischen Versorgung leidet. Die Zukunft ist düster. Wird die Vergütung einer medizinischen Leistung defizitär geschrumpft, droht diese Leistung aus dem Angebot zu verschwinden. Es besteht deshalb Gefahr, dass wir in Zukunft alte, weniger wirksame (aber knapp kostendeckende) Methoden anwenden und weite Teile unserer hochspezialisierten Medizin opfern.
Der anfänglich noch gemeinsam mit den Fachgesellschaften entwickelte Tardoc wurde durch unreflektierte politische Sparwut tarifarisch immer weiter gekürzt. Die FMH, als Vertreter aller Leistungserbringer ist nun dringend gefordert diesen existenziell bedrohlichen Tarifvorschlag schnellstmöglich zu korrigieren. Nur so können die in der Schweiz heute bestehenden und wertvollen Qualitätsstandards erhalten werden, die der Gesundheit der Bevölkerung zugutekommen.
«(...) die Radiologie (ist) lediglich ein Exempel, um aufzuzeigen, was im Moment im Gesundheitswesen alles schief läuft: Es gibt unzählige weitere Spezialärzte, die mit identischen oder ähnlich gelagerten Problemen kämpfen.»
Dazu kommt nun noch die Umsetzung des Zulassungsstopps: Die Kantone sollen die Anzahl Ärzte mit Höchstzahlen beschränken, um zu sparen. Die mittels Höchstzahlen betriebene Verknappung des radiologischen Angebotes verstärkt die wegen des Tardoc zu erwartenden Qualitätseinbussen. Radiologen und Radiologinnen mit Zulassung werden – unabhängig der geleisteten Qualität – zum Bersten volle Terminkalender haben. So schafft man ein Oligopol, ein von wenigen Grossen kontrollierten Markt. Der bisherige Wettbewerb zwischen Spitälern und Instituten wird weitgehend entfallen, obschon Konkurrenz in unserem Bereich die Qualität fördert.
Höchste radiologische Qualität ist ein extrem wichtiges Gut in unserem Gesundheitssystem; nur so können allenfalls unnötige Folgebehandlungen vermindert und nur so kann ein spezifischer Behandlungsbedarf frühzeitig erkannt werden.
Dabei ist die Radiologie lediglich ein Exempel, um aufzuzeigen, was im Moment im Gesundheitswesen alles schief läuft: Es gibt unzählige weitere Spezialärzte, die mit identischen oder ähnlich gelagerten Problemen kämpfen.
Verbände, Behörden und Politik tragen gemeinsame Verantwortung: Streben wir jenes Gesundheitssystem an, in welchem wir unsere Liebsten betreut haben möchten!
Florian M. Buck ist Facharzt FMH für Radiologie und Titularprofessor der Universität Zürich.