Die Notwendigkeit von Qualitätsverbesserungen im Gesundheitswesen wurde wegen der Affäre um die Zürcher Herzchirurgie
jüngst wieder stärker diskutiert – einmal mehr. Es ist ein fundamentales Thema, da es um Menschenleben geht. Aber um die Problematik der Qualitätskontrollen spezifisch im Gesundheitswesen zu verstehen, benötigen wir eine differenzierte Analyse der Ursachen.
Bei den Gesundheitsversorgern kann durch die Erfassung von Qualitätsmängeln oder Missständen bei Patientenbehandlungen die Reputation leiden. Es droht also Vertrauensverlust, was wiederum eine Abnahme der Patientenzahl bedeuten kann. Daher befinden sich die Spitäler in einer gewissen Zwickmühle: Einerseits wäre es zwingend notwendig, mögliche Qualitätsschwächen zu evaluieren – anderseits ist ein Marketing als vertrauenswürdiges Top-Spital erstrebenswert.
Der Autor
André Plass ist Entrepreneur und entwickelt unter anderem mit KI implementierte Medizinaltechnologien. Er war bis 2020 leitender Arzt am USZ und deckte dort als «Whistleblower» die kritischen Zustände in der Herzchirurgie unter Klinikleiter Franceso Maisano auf.
Ein weiteres Problem liegt darin, dass vor allem Spitäler und Mediziner die Daten für ihre eigenen Leistungen erfassen, auswerten und an externe Register liefern. Gegenkontrollen sind in der Regel nicht existent. Die Eingaben werden weder auf Richtigkeit noch auf Vollständigkeit geprüft.
Auch mögliche Missstände werden meist so gemeldet, dass die mitverantwortliche Institution die Kontrolle darüber behält, wie eine Abklärung erfolgen sollte und was die Konsequenzen sind.
«Spitäler müssten standardisierte Qualitätszahlen im Quartalsrhythmus abliefern – wie dies sonst auch bei grösseren Unternehmen üblich ist.»
Um also tatsächlich eine Änderung im Qualitätsmanagement zu erreichen, benötigen wir eigenständige medizinische Qualitätskontroll- und Meldezentren. Diese Zentren müssen auf kantonaler Ebene angesiedelt sein und bei weiterführenden Untersuchungen komplett unabhängig agieren können – etwa bei der Berichterstellung oder bei etwaigen Entscheiden über Konsequenzen.
Spitäler respektive behandelnde Ärzte müssten standardisierte Qualitätszahlen im Quartalsrhythmus abliefern – wie dies sonst auch bei grösseren Unternehmen üblich ist. Für den Fall, dass die Qualitätserfassung nicht ordentlich und zeitgerecht erfolgt, müsste ein Strafenkatalog zum Einsatz kommen. Wie bei Verkehrsvergehen könnten die Strafen Geldbussen oder anderweitige Sanktionsmassnahmen beinhalten.
Mehrarbeit? Begrenzt.
Der Arbeitsaufwand solch einer quartalsmässigen Qualitätsdatenübermittlung sollte sich für Spitäler wie auch die Ärzte im Rahmen halten. Denn zum einen ist die Qualitätserfassung offiziell schon jetzt vorhanden; zudem sollte sie im eigenen Interesse sein; und schliesslich wird auch Arbeit abgenommen, da die weiterführende Analyse durch die erwähnten Qualitätskontroll- und Meldezentren erfolgt.
Diese kantonalen Qualitätskontroll-und Meldezenten könnten mit KI-Programmen zur beschleunigten Daten-Auswertung ausgestattet werden, was eine neutrale, zügige und fachgerechte Bearbeitung bei überschaubaren Personalaufwand ermöglichen sollte.
Bei Missstands-Meldungen muss zwingend eine Differenzierung erfolgen, ob es sich um mögliche Einzelfälle handelt – oder um ein systematisches Problem. Die Zentren sollten nicht primär als anonyme Meldestellen agieren, sondern mit Unabhängigkeit und Amtsgeheimnis eine vertrauensvolle Möglichkeit bieten für Meldungen mit Personalienangabe.
«Ein unabhängiges Qualitätskontroll- und Meldezentrum sollte auch in der Lage sein, sofort Schutzmassnahmen einzuleiten.»
Bei Meldungen im Medizinbereich geht es um einen lebenswichtigen Aspekt, und zwar den direkten Schutz von Patienten und schnelles Handeln zur Vermeidung weiterer Schädigungen. Umgehende Schutzmassnahmen können Patientenschädigungen verhindern. Ein unabhängig agierendes Qualitätskontroll- und Meldezentrum sollte somit auch in der Lage sein, sofort Schutzmassnahmen einzuleiten, um eine gesicherte Patientenversorgung rasch wieder herzustellen.
Erst durch wirklich einschneidende Massnahmen können tatsächlich nachhaltige Verbesserungen bei der Qualität und beim professionellen Umgang mit Missstandsmeldungen erreicht werden. Diese wiederum sollten Kostenersparnisse ermöglichen, die nicht nur die neuen Zentren finanzieren würden, sondern möglicherweise auch die Kostenexplosion im Gesundheitswesen etwas eindämmen könnten.
Aus diesem Grund sollte es sowohl im Interesse von kantonaler Seite aber auch von Krankenversicherungen sein, solche medizinischen Qualitätskontroll-und Meldezentren zumindest auf ihre Umsetzbarkeit zu evaluieren.