Auf Augenhöhe: Studie zeigt, warum Ärzte im Spital öfter sitzen sollten

Wenn sich die Mediziner hinsetzen, dann steigen die Beurteilungen und die Benotungen der Patienten.

, 12. August 2024 um 22:03
letzte Aktualisierung: 20. September 2024 um 06:57
image
Hier sehen Sie ein womöglich unterschätztes medizinisches Hilfsmittel  |  Bild: Ellen Qin on Unsplash
Wer von seinen Patienten als guter Arzt oder gute Ärztin beurteilt werden will, redet mit ihnen auf gleicher Höhe. Zu diesem Befund kommt eine systematische Übersicht, die US-Mediziner zur Rolle der Haltung respektive Position am Spitalbett vornahmen.
  • Wenn der Arzt oder die Ärztin sich bei der Visite hinsetzt – so beispielsweise ein Befund –, dann schätzen die Patienten die Dauer des Gesprächs länger ein (sie überschätzen den Wert um durchschnittlich 1,3 Minuten).
  • Bleibt der Arzt stehen, dann wird der Besuch eher als flüchtig beurteilt (und um durchschnittlich 0,6 Minuten unterschätzt).
Zu solchen Einsichten kamen Forscher der Universität Michigan und des Ann Arbor Healthcare System nach einer Durchsicht der vorhandenen Literatur; dabei werteten sie am Ende 14 Studien und 10 Konferenz-Berichte en detail aus.
Ein weiteres Ergebnis dabei: Eine leichte Mehrheit der Patienten zog es vor, dass der Arzt sich hinsetzt. Und tendenziell beurteilten sie die Betreuung insgesamt positiver, wenn sie es mit einem sitzenden Arzt zu tun hatten.
Auch wurden die Kommunikation und die Qualität der medizinischen Behandlung laut vier Studien in diesen Fällen als besser eingeschätzt. In einer Erhebung befanden beispielsweise, dass fast alle Spitalpatienten sich positiv über ihre Betreuung äusserten, wenn die Ärzte bei der Visite sassen (95 Prozent), während die Zustimmung nur 61 Prozent erreichten, wenn die Mediziner stehenblieben.
Die Studienautoren geben den Spitalorganisationen denn auch den Rat, die Kommunikation auf Augenhöhe zu ermutigen.

Die Hindernisse

Drei der im Review erfassten Studien zeigten übrigens auch, wo das Problem liegt. Dabei wurden Ärzte befragt, wie sie es so halten mit ihrer Haltung. Als Hindernisse erschienen dabei: fehlende Sitzgelegenheiten (und dabei auch vollgestellte Stühle); ferner ein Gefühl von Zeitmangel (respektive die Befürchtung, dass die Visite länger dauert, wenn man sich hinsetzt); vereinzelt wurden auch Bedenken wegen der Übertragung von Krankheitserregern erwähnt.
Einen weiteren Vorbehalt brachte die Studie aus den USA allerdings auch ans Licht: Die Adhärenz war nach Sitzungen eher schlechter als nach der Visite im Stehen. Dies könnte einerseits damit zu tun haben, dass der stehende Arzt vielleicht eher eine autoritäre Ausstrahlung hat. Andererseits ist die Daten- und Studienbasis zu dieser Frage auch sehr dünn.
  • Für weitere News aus der medizinischen Forschung besuchen Sie gern auch «med-report».

Artikel teilen
  • Share
  • Tweet
  • Linkedin
  • Whatsapp
  • Telegram
Kommentar

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Was ist Ihr Beruf?

Wo arbeiten Sie?*

undefined
undefined

*Diese Angaben sind freiwillig. Sie bleiben im Übrigen anonym.
Warum bitten wir Sie darum? Medinside bietet Ihnen die Informationen und Beiträge kostenlos. Das bedeutet, dass wir auf Werbung angewiesen sind. Umgekehrt bedeutet es idealerweise auch, dass Ihnen auf Medinside möglichst nur Werbung gezeigt wird, die zu Ihnen passt und die Sie interessant finden könnten.
Wenn wir durch solche Erhebungen Angaben über das allgemeine Profil des Medinside-Publikums gewinnen, nützt dies allen: Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, uns und unseren Kunden. Vielen Dank!


Mehr zum Thema

image

Klinik am Pranger – vielleicht zu Unrecht

Wegen einer missglückten Operation kommt eine Klinik im «Kassensturz» schlecht weg. Doch ob der Fall tatsächlich vermeidbar gewesen wäre, bleibt unklar.

image

Heime im Qualitäts-Check: Ein Label für Exzellenz in der Pflege

Die Organisation Leading Nursing Homes hat einen Kriterienkatalog entwickelt, um Alterswohnungen und Pflegeheime zu zertifizieren. Das erste Haus trägt schon das neue Qualitätslabel.

image

Die guten Arbeitgeber im Schweizer Gesundheitswesen

Im neuen Ranking der «Besten Arbeitgeber 2025» holten die Paraplegiker-Stiftung, die Uniklinik Balgrist, Hirslanden und das Kispi die besten Werte.

image

Ärztegesellschaft sucht Ideen für bessere Work-Life-Balance

Wie bringen Mediziner ihren Beruf und ihr Privatleben besser in Einklang? Um neue Lösungen zu finden, startet die AGZ ein Pilotprojekt mit zwölf Praxen und einer spezialisierten Fachstelle.

image

«Einige erkannten ihre eigene Geschichte»

Machtspiele, sexuelle Übergriffe, Schweigen: In einem TV-Film berichteten Ärztinnen aus der Romandie von Missständen in den Spitälern. Die Chirurginnen reagieren.

image

Radiologie-Streik: «Unverhältnismässig und unzulässig»

Am Freiburger Spital streiken Radiologiefachleute für höhere Löhne – der Gesundheitsdirektor zeigt wenig Verständnis.

Vom gleichen Autor

image

USZ: Mehr Vertrauen in die Spitalleitung

Die Fluktuationsrate des Personals im Universitätsspital Zürich erreichte letztes Jahr 13 Prozent. Im Kantonsspital Winterthur lag sie bei 11 Prozent.

image

Kantonsspital Winterthur kämpft sich zurück

Mehr Patienten, strikteres Kostenmanagement, verbesserte Abläufe: Das KSW konnte letztes Jahr den Verlust halbieren.

image

Zurück auf die Beine: Stimulation hilft Gelähmten beim Gehen

Ein neues Verfahren aus Lausanne verbindet Rückenmark-Stimulation mit Robotik – um bei Querschnittgelähmten die Muskelkoordination zu verbessern. Das System könnte weltweit in Reha-Kliniken eingesetzt werden.