Auf Augenhöhe: Studie zeigt, warum Ärzte im Spital öfter sitzen sollten

Wenn sich die Mediziner hinsetzen, dann steigen die Beurteilungen und die Benotungen der Patienten.

, 12. August 2024 um 22:03
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Hier sehen Sie ein womöglich unterschätztes medizinisches Hilfsmittel  |  Bild: Ellen Qin on Unsplash
Wer von seinen Patienten als guter Arzt oder gute Ärztin beurteilt werden will, redet mit ihnen auf gleicher Höhe. Zu diesem Befund kommt eine systematische Übersicht, die US-Mediziner zur Rolle der Haltung respektive Position am Spitalbett vornahmen.
Wenn der Arzt oder die Ärztin sich dabei hinsetzt – so beispielsweise ein Befund –, dann schätzen die Patienten die Dauer des Gesprächs länger ein (sie überschätzen den Wert um durchschnittlich 1,3 Minuten). Bleibt der Arzt stehen, dann wird der Besuch eher als flüchtig beurteilt (und um durchschnittlich 0,6 Minuten unterschätzt).
Zu solchen Einsichten kamen Forscher der Universität Michigan und des Ann Arbor Healthcare System nach einer Durchsicht der vorhandenen Literatur; dabei werteten sie am Ende 14 Studien und 10 Konferenz-Berichte en detail aus.
  • Nathan Houchens, Jason M. Engle, Rita Palanjian, Sanjay Saint, Whitney A. Townsend, Mariam Nasrallah, Ashwin Gupta: «Effect of Clinician Posture on Patient Perceptions of Communication in the Inpatient Setting: A Systematic Review», in: «General Internal Medicine», Juli 2024.
  • doi.org/10.1007/s11606-024-08906-4
Ein weiteres Ergebnis dabei: Eine leichte Mehrheit der Patienten zog es vor, dass der Arzt sich hinsetzt. Und tendenziell beurteilten sie die Betreuung insgesamt positiver, wenn sie es mit einem sitzenden Arzt zu tun hatten.
Auch wurden die Kommunikation und die Qualität der medizinischen Behandlung laut vier Studien in diesen Fällen als besser eingeschätzt. In einer Erhebung befanden beispielsweise, dass fast alle Spitalpatienten sich positiv über ihre Betreuung äusserten, wenn die Ärzte bei der Visite sassen (95 Prozent), während die Zustimmung nur 61 Prozent erreichten, wenn die Mediziner stehenblieben.
Die Studienautoren geben den Spitalorganisationen denn auch den Rat, die Kommunikation auf Augenhöhe zu ermutigen.

Die Hindernisse

Drei der im Review erfassten Studien zeigten übrigens auch, wo das Problem liegt. Dabei wurden Ärzte befragt, wie sie es so halten mit ihrer Haltung. Als Hindernisse erschienen dabei: fehlende Sitzgelegenheiten (und dabei auch vollgestellte Stühle); ferner ein Gefühl von Zeitmangel (respektive die Befürchtung, dass die Visite länger dauert, wenn man sich hinsetzt); vereinzelt wurden auch Bedenken wegen der Übertragung von Krankheitserregern erwähnt.
Einen weiteren Vorbehalt brachte die Studie aus den USA allerdings auch ans Licht: Die Adhärenz war nach Sitzungen eher schlechter als nach der Visite im Stehen. Dies könnte einerseits damit zu tun haben, dass der stehende Arzt vielleicht eher eine autoritäre Ausstrahlung hat. Andererseits ist die Daten- und Studienbasis zu dieser Frage auch sehr dünn.
  • Für weitere News aus der medizinischen Forschung besuchen Sie gern auch «med-report».

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