So auch bei einem Zürcher Diabetes-Patienten. Sein Arzt verweigerte ihm die Behandlung, weil er die Einverständniserklärung nicht unterschreiben wollte.
Verständlich, dass die Situation auch für Ärzte mühsam ist und wertvolle Zeit durch Diskussionen und zusätzlichen administrativen Aufwand verloren geht. «Dass lange Formulare und Einverständniserklärungen auf ein gewisses Unverständnis stossen, kann ich nachvollziehen. Auf der anderen Seite ist es aber natürlich legitim – und bis zu einem gewissen Umfang rechtlich notwendig –, dass sich Ärzte und Spitäler absichern», sagt dazu der Datenschutzanwalt David Vasella gegenüber Medinside.
Bei der
Ärztegesellschaft des Kantons Zürich (AGZ) tönt es ähnlich. Das neue Datenschutzgesetz, aber auch die ärztliche Sorgfaltspflicht, würden zwingend verlangen, dass die Praxen ihre Patienten über die Bearbeitung und Weiterleitung von Daten informieren.
Einwilligung zwingend
Zugleich seien Einwilligungen etwa notwendig als Voraussetzung für eine Behandlung, weil man in der Schweiz davon ausgehe, dass Eingriffe in den Körper oder den psychischen Bereich ohne Einwilligung persönlichkeitsverletzend seien. «Und solche Einwilligungen sind nur wirksam, wenn der Patient ausreichend informiert wurde, weshalb strenge Anforderungen gelten und das wiederum die Dokumente länger macht», so Vasella.
Aber nicht jeder Umgang mit Personendaten verlangt eine Einwilligung – auch bei Gesundheitsdaten.
Das Interesse der Mediziner
Darf demnach also ein Arzt dem Patienten die Behandlung verweigern, wenn dieser die Einverständniserklärung nicht unterschreibt?
Dazu David Vasella: «Ja, falls die Einwilligung rechtlich notwendig ist. In diesem Fall muss er dies sogar». Allerdings: Ist die Einwilligung nicht notwendig und dient sie nur der Absicherung, so kann eine Verweigerung der Behandlung dazu führen, dass die Einwilligung unwirksam ist.
«Das zeigt, dass Ärzte und Spitäler ein eigenes Interesse daran haben, bei der Gestaltung von Einwilligungserklärungen nicht allzu sehr über das Ziel hinauszuschiessen», sagt der Datenschutzexperte.
Herr Vasella, wie erleben Sie die Umsetzung des neuen Datenschutzgesetzes?
Es gibt noch immer viele Unternehmen, die sich mit dem neuen Datenschutzgesetz kaum auseinandergesetzt haben. Das betrifft den Gesundheitsbereich allerdings etwas weniger als etwa die Industrie. Die Umsetzung selbst lässt sich aber recht gut und mit überschaubarem Aufwand bewältigen, wenn ein Unternehmen bereit ist, mit gewissen Restrisiken zu leben.
David Vasella ist Partner in der Gruppe Informationstechnologie, Immaterialgüterrechte und Wettbewerb bei Walder Wyss Rechtsanwälte.
Was meinen Sie mit Restrisiken? Schliesslich drohen Bussen bis 250'000 Franken.
Wie in anderen Bereichen ist eine vollständige Compliance, also eine wortgetreue Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen, kaum zu erreichen – wenn, dann nur mit enormem Aufwand, dem keine entsprechende Reduktion von Rechtsrisiken gegenübersteht. Würde man etwa alle Personendaten automatisiert und präzise dann löschen, wenn eine weitere Aufbewahrung gesetzlich nicht vorgeschrieben und auch sonst nicht mehr erforderlich ist, müsste man alle Systeme entsprechend aufsetzen. Das ist bei nicht strukturierten Datenbestände wie etwa E-Mails kaum möglich.
Somit ist die vollständige Umsetzung des Datenschutzes aus technischen Gründen gar nicht möglich?
Zumindest sind aus technischen Gründen oder aufgrund von Sachzwängen gewisse Abstriche nicht zu vermeiden. Eine robuste Compliance – im Sinne einer «minimum viable compliance» – lässt sich aber durchaus erreichen, ohne dass ein Unternehmen übermässig belastet wird.