PIM heissen die Arzneimittel: PIM ist die Abkürzung für «potenziell indadäquate Medikation». Gebraucht wird die Bezeichnung für Medikamente, welche für ältere Menschen möglicherweise ungeeignet sind und vermieden werden sollten. Deutsche Fachleute haben vor gut zwölf Jahren die so genannte
Priscus-Liste erstellt, welche solche PIM aufführt. Deutsche Ärzte haben sie seither fleissig konsultiert. Auch für Schweizer Ärzte und Ärztinnen könnte sie interessant sein.
Weniger Medikamente verschrieben
Denn mittlerweile hat die Liste messbare Folgen: 2009 erhielten noch 24 Prozent der deutschen Patientinnen und Patienten ab 65 Jahren mindestens eine PIM pro Jahr, 2019 waren es nur noch 14,5 Prozent. Nun ist eine aktualisierte Priscus-Liste mit riskanten Medikamenten für Senioren erschienen, wie die Online-Zeitung
«Infosperber» berichtet.Verglichen mit der ersten Liste sind 133 Wirkstoffe neu hinzugekommen, darunter auch einige Diabetes-Medikamente, alle selektiven COX-2-Hemmer (gegen Entzündungen) und einige Benzodiazepine (Schlaf- und Beruhigungsmittel) wie Oxazepam.
Das «pharmakologisch sinnvolle Mass»
Von weiteren Wirkstoffen, wie zum Beispiel Protonenpumpenhemmer (PPI) gegen Sodbrennen, wird zwar nicht generell abgeraten, jedoch empfohlen, sie nicht länger als acht Wochen zu verschreiben. Auch für das Schmerzmittel Ibuprofen gelten höhere Dosierungen als 1200 mg pro Tag und Einnahmedauern über eine Woche als problematisch, wenn sie ohne PPI verschrieben werden. Desgleichen gilt Risperidon (gegen Psychosen) als PIM, wenn es länger als sechs Wochen verordnet wird.
Die Priscus-Liste gilt in der Hausarztmedizin als gutes Hilfsmittel beim Entscheid, welches der oft vielen Medikamente am ehesten gestrichen werden könnte, um «auf ein überschaubares und pharmakologisch sinnvolles Mass» zu kommen, schreibt der Pharmakologie-Professor Bernd Mühlbauer im «Deutschen Ärzteblatt».
Sklavische Befolgung nicht ratsam
Er rät aber davon ab, sich «sklavisch» an die Liste zu halten und ihr «reflexartig» zu folgen, denn im Einzelfall könne die Weiterverordnung eines solchen Medikaments unverzichtbar für die Gesundheit und Lebensqualität sein.
Von Gingko und Codein abgeraten
Überraschend ist, dass die Priscus-Liste bei durchaus populären Mitteln empfiehlt, sie möglichst gar nicht einzusetzen. Dazu zählen beispielsweise Gingko, das Schlafmittel Zolpidem oder Codein gegen Husten. Die Priscus-Liste zeigt auch mögliche Alternativen auf: Anstelle von Zolpidem zum Schlafen könne beispielsweise Baldrian, Melatonin oder – bei entsprechender Diagnose – das müde machende Antidepressivum Mirtazapin eingesetzt werden.
Insgesamt 59 Fachleute beteiligten sich am Erstellen der Priscus-Liste. Sie stützen ihre Empfehlungen so gut wie möglich auf Studien ab, wobei speziell zu Seniorinnen und Senioren leider oft nur spärlich Daten vorhanden sind – obwohl die über 60-Jährigen fast zwei Drittel der verordneten Medikamente bekommen.
In der Schweiz ist es nicht besser
Auch in der Schweiz erhalten alte Menschen manchmal nutzlose oder sogar schädliche Arzneimittel. Vor vier Jahren zeigte ein
Bericht, den das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Auftrag gegeben hatte: Die Medikation von 22,5 Prozent der über 65-Jährigen in der Schweiz ist potenziell inadäquat. Medinside berichtet
hier darüber.