Hirnschlag erst spät behandelt – Spital nicht schuldig

Ein Genfer Spital hat bei einer Notfall-Patientin erst nach 12 Stunden einen Hirnschlag diagnostiziert. Trotzdem ist es keinen Schadenersatz schuldig.

, 4. September 2024 um 05:34
image
Ein Genfer Spital hat den Hirnschlag einer Patientin zwar erst spät behandelt. Doch Schadenersatz muss es keinen zahlen, befand das Bundesgericht. | Unsplash
Der Streitfall liegt schon 13 Jahre zurück: Eine damals 47-jährige Frau wurde am frühen Nachmittag in die Notaufnahme eines Genfer Spitals eingeliefert, da sie sich unwohl fühlte und erbrechen musste. Sie wurde im Wartezimmer untergebracht, weil es sonst nirgends Platz gab.

Zuerst Hyperventilation vermutet

Viermal schaute das Pflegepersonal und einmal ein Arzt nach ihr. Der Oberarzt in der Notaufnahme, vermutete einen Hyperventilationsanfall in Verbindung mit einer Angststörung.
Erst nach 1 Uhr nachts wurde die Patientin in den Pflegebereich verlegt. Bei ihrer Verlegung stellten die Krankenschwestern unter anderem fest, dass sie nicht mehr sprach. Der Assistenzarzt, der Nachtschicht hatte, untersuchte sie sofort.

Erhebliche Folgeschäden

Ein CT-Scan des Gehirns um 5 Uhr und eine um 8 Uhr durchgeführte Kernspintomographie des Gehirns zeigte, dass die Patientin einen Schlaganfall hatte. Am selben Tag wurde ihr mittels eines Katheters ein Blutgerinnsel entfernt.
Nach mehreren Aufenthalten auf der Intensivstation, in der Neurologie und anschliessend in der Rehabilitation konnte die Patientin nach vier Monaten zwar wieder nach Hause zurückkehren. Doch sie hatte erhebliche Folgeschäden davongetragen.

Zuerst zwei Millionen Franken verlangt

Die Patientin forderte deshalb vom Spital zuerst zwei und später eine Million Franken Schadenersatz. Das Spital habe mehrere schwere Fehler begangen, insbesondere, weil sie so lange habe warten müssen.
Zuerst kam das kantonale Gericht aufgrund des Gutachtens eines Notfallabteilungs-Leiters zum Schluss, dass das Spital keine Pflichten verletzt habe. Die Diagnosestellung sei wegen des schleichenden Verlaufs des Schlaganfalls besonders schwierig gewesen. Ausserdem sei die Notfallstation überlastet gewesen. Es sei auch nicht klar, inwieweit die Folgeschäden bei der Patientin mit einem schnelleren Eingriff hätten vermieden werden können.

Zuerst freigesprochen, dann wieder verurteilt

Aufgrund dieses Gutachtens wurde das Spital zuerst freigesprochen. Später – nach einem neuen Gutachten – hätte das Spital rund 160'000 Franken zahlen sollen, weil das Gericht befand, dass ein Anteil von 15 Prozent des erlittenen Schadens dem Spital zuzuschreiben sei.
Nach etlichem Hinundher wandte sich das Spital ans Bundesgericht. Dieses entschied nun zugunsten des Spitals. Es stützte sich auf ein Gutachten, wonach bei dem vorliegenden speziellen Schlaganfall (einer sogenannten Basilarisläsion) nicht wie bei einem klassischen Schlaganfall einigermassen sicher berechnet werden könne, innert welchen Fristen die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung sinken.
Es sei deshalb nicht genügend klar, dass die Patientin weniger Schäden davongetragen hätte, wenn sie schneller behandelt worden wäre.
  • Für E-Learning- und Fortbildungs-Angebote für Ärzte und Apotheker: med-cases

Artikel teilen
  • Share
  • Tweet
  • Linkedin
  • Whatsapp
  • Telegram
Kommentar

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Was ist Ihr Beruf?

Wo arbeiten Sie?*

undefined
undefined

*Diese Angaben sind freiwillig. Sie bleiben im Übrigen anonym.
Warum bitten wir Sie darum? Medinside bietet Ihnen die Informationen und Beiträge kostenlos. Das bedeutet, dass wir auf Werbung angewiesen sind. Umgekehrt bedeutet es idealerweise auch, dass Ihnen auf Medinside möglichst nur Werbung gezeigt wird, die zu Ihnen passt und die Sie interessant finden könnten.
Wenn wir durch solche Erhebungen Angaben über das allgemeine Profil des Medinside-Publikums gewinnen, nützt dies allen: Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, uns und unseren Kunden. Vielen Dank!


Mehr zum Thema

image

Neuer Leistungsauftrag für die Oberwaid

Die Klinik Oberwaid ist neu auch mit muskuloskelettaler Rehabilitation auf der Spitalliste der Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden. So kann die Oberwaid auch in diesem Fachgebiet grundversicherte Patienten behandeln und leistet einen wichtigen Beitrag in der Region.

image

Zurück in die Vergangenheit: Spitäler wollen Geld vom Kanton

An sich sollten die Kantone ihre Spitäler nicht mehr finanzieren. Doch immer häufiger zahlen die Regierungen trotzdem – und verzerren möglicherweise den Wettbewerb.

image

Deshalb sind Ärzte vor Bundesgericht so erfolgreich

Schon wieder sind die Krankenkassen mit Rückforderungen bei Ärzten vor Bundesgericht abgeblitzt. Das höchste Gericht stützt neu die Ärzte besser.

image

Luzerner Kantonsspital braucht wohl bald Geld

Die Höhenklinik des Spitals machte 180'000 Franken Verlust - pro Monat. Die Kantonsregierung rechnet damit, dass das Kantonsspital Hilfe braucht.

image

Freispruch nach Verlust eines Auges

Ein Rechtsstreit zwischen einem Neurochirurgen und seiner Patientin zeigt: Die schriftliche Einwilligung zum Eingriff ist enorm wichtig.

image

Spital Samedan gehört bald zum Kantonsspital Graubünden

Dadurch werden wohl einzelne Stellen neu ausgerichtet oder aufgehoben. Andererseits dürften in den medizinischen Bereichen rund 20 zusätzliche Stellen entstehen.

Vom gleichen Autor

image

Der neue Valenser Reha-Klinikdirektor kennt das Haus bestens

Denis Mayinger ist der neu Direktor der Rehazentren Walenstadtberg und Chur. Er war bisher der Leiter Therapien im Rehazentrum Walenstadtberg.

image

Pedeus übernimmt die Datenbank für Kinderdosierungen

Eien Tochterfirma des Zürcher Kispis bietet einen Gratis-Zugang zu ihrer eigenen Dosierungs-Software.

image

Zug verliert seinen beliebten Gesundheitsdirektor an Bern

Gesundheitsdirektoren haben in den Kantonen oft einen schweren Stand. Nicht so der Zuger Martin Pfister. Doch nun geht er in den Bundesrat.