Am Freitag versandten ehemalige Chefärzte des Kantonsspitals St. Gallen einen offenen Brief, in dem sie den Verwaltungsrat deutlich kritisierten: Der abrupte Abgang von CEO Stefan Lichtensteiger stelle die Frage in den Raum, «ob der Verwaltungsrat ausgewechselt werden müsste»,
so der abschliessende Befund.
Das Schreiben weckte umgehend die kantonale Politik auf. Noch am gleichen Tag reichte die Mitte-Partei eine Anfrage an die Regierung ein – der Titel: «Ist der Verwaltungsrat der St. Galler Spitalverbunde noch Herr der Lage?». Und die SVP lud den Präsidenten der Spitalverbunde, Stefan Kuhn, zur Aussprache mit den Fraktionen im Parlament ein. Dieses Treffen soll noch diese Woche stattfinden, so Kuhn gegenüber Radio SRF.
In der Folge meldeten sich auch die GLP und die SP zu Wort. In einer
Medienmitteilung kritisierten die Grünen den Verwaltungsrat ebenfalls deutlich: «Die intransparente Kommunikation erschüttert das Vertrauen in den Verwaltungsrat», so der Text.
«Völllig unverständlich»
Und weiter: «Die St. Galler Spitalverbunde haben seit Jahren mit Finanzierungsproblemen und Fachkräftemangel zu kämpfen. Der laufende Fusionsprozess stellt organisatorisch und kommunikativ eine grosse Herausforderung dar. In dieser Zeit des Umbruchs wäre eine starke und verlässliche Führung wichtiger denn je. Der überstürzte Abgang von Stefan Lichtensteiger als CEO ist vor diesem Hintergrund völlig unverständlich und erschüttert das ohnehin bereits geschwächte Vertrauen in den Verwaltungsrat. Dass nicht einmal die Gründe für das Zerwürfnis transparent kommuniziert werden, ist für die Grünen inakzeptabel.»
Der Verwaltungsrat seinerseits deutete in einem Statement an, dass ihm bei der Kommunikation die Hände gebunden sind: Es sei nachvollziehbar, dass der CEO-Wechsel Fragen aufwirft. Doch man sei mit Stefan Lichtensteiger wegen unterschiedlicher Managementauffassungen zum Trennungsentscheid gekommen – und dabei habe man sich auch auf ein Wording geeinigt, «das den Wünschen von Stefan Lichtensteiger entsprach, weshalb – wie in solchen Fällen üblich – die unterschiedlichen Managementauffassungen in der Öffentlichkeit nicht weiter erörtert wurden.»
Regierungsrat: Nicht informiert
Von links bis rechts richtet sich Hauptkritik zuerst gegen die Kommunikation des Verwaltungsrates, doch parteiübergreifend folgt auch der Verweis auf die Entlassungen der jüngsten Zeit. Auch von Seiten der SP war die Kritik entsprechend. In einer Anfrage an die Kantonsregierung schreiben die SP-Vertreter Eva Lemmenmeier und Dario Sulzer: «Die Massenentlassungen Ende 2023 wie auch die Kündigung der Pflegedienstleitung Ende Mai 2024 führten bereits zu grossen Unruhen im Kantonsspital St. Gallen.» Der Text liegt
dem St. Galler «Tagblatt» vor. Schon dies sei schlecht kommuniziert worden, und in der Folge hätten etliche Mitarbeitende das Spital verlassen.
Nun löse die Freistellung des CEO einen Monat vor der formellen Fusion der vier St. Galler Spitalverbunde zu einem Unternehmen eine veritable Krise aus, so die sozialdemokratische Anfrage: «Die SP ist tief besorgt über die Vorgänge. Die Freistellung so kurz vor der Fusion, aber auch die absolut unzureichende Kommunikation seitens VR lösen grosse Verunsicherung aus.» Es sei zu befürchten, dass weitere Angestellte das Unternehmen verlassen würden.
Ebenfalls kurz zu Wort meldete sich der zuständige Regierungsrat Bruno Damann (Die Mitte) – mit der Information, dass auch er nicht mehr gewusst habe und nicht früher vom Abgang Stefan Lichtensteigers erfahren habe. «Das ist ein Entscheid zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung», sagte Damann im
«Regionaljournal Ostschweiz» von Radio SRF: «Wir von der Regierung haben keinen Einfluss auf die Wahlen von Geschäftsleitungs-Mitgliedern.»