Auch die Finma erachtet Spitaltarife als missbräuchlich

Die Finanzmarktaufsicht (Finma) macht den Krankenversicherern Vorgaben, wie die Verträge mit den Spitälern bei den Zusatzversicherungen daherkommen müssen. Spitäler und Ärzte interessiert dies nur bedingt.

, 6. Oktober 2020 um 21:57
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Hier sitzen die Leute, die die VVG-Versicherungen beaufsichtigen, den Spitälern aber nichts zu sagen haben. Der Finma-Hauptsitz an der Laupenstrasse in Bern. 
Nicht nur der Preisüberwacher stört sich an den überrissenen Spitaltarifen für Zusatzversicherte – auch die Finanzmarktaufsicht (Finma). Sie stört vor allem die mangelnde Transparenz. 
«In der jüngeren Vergangenheit hat die Finma zahlreiche kritische Hinweise zur Abrechnung von medizinischen Leistungen im Krankenzusatzversicherungsbereich erhalten». Mit diesen Worten beginnt der Brief, den die Aufsichtsbehörde Ende letzten Jahres den Krankenversicherern geschrieben hat. So seien in der Vergangenheit die Tarifverträge «unpräzise ausgestaltet» worden.

Im Dunkeln ist gut munkeln

Unpräzise heisst hier intransparent. Und diese Intransparenz bietet laut Finma Spielraum, um Kosten über Gebühr auf die Krankenzusatzversicherung abzuwälzen, was wiederum kostentreibend wirkt und letztlich zulasten der Versicherten geht.
Im Wesentlichen geht es um die Mehrleistungen, die eine Zusatzversicherung gegenüber der obligatorischen Grundversicherung (OKP) abzudecken vermag. Diese müssen klar beziffert werden. Doch wie soll das gehen, wenn es diese Mehrleistung kaum mehr gibt? Mehr und mehr Spitäler führen nur noch Zweibettzimmer. Grund- und Halbprivatversicherte liegen im gleichen Zimmer und haben die exakt gleiche Leistung. Vielleicht mit der Einschränkung, dass der Halbprivatversicherte in den Genuss von Gratis-WLAN kommt.

Doppelte Vergütung ist missbräuchlich

Allen ist klar, dass Leistungen der Grundversicherung, wie eben die medizinische Behandlung, wegen des Tarifschutzes nicht doppelt vergütet werden darf. Und wenn dies trotzdem geschieht, wie es früher gang und gäbe war und heute immer noch vorkommt, so ist das laut Finma missbräuchlich.
Der Krankenversicherer Helsana erklärt auf Anfrage, dass man daran sei, die Kernforderungen der Finma umzusetzen. Eine Schwierigkeit bestehe aber darin, dass die freie Arztwahl nicht überall vertraglich geregelt sei. Doch ohne vertragliche Regelung der Leistungen sei es schwierig, den Wert der Mehrleistungen zu überprüfen und den Tarifschutz zu gewährleisten.
Das ist in PR-Worten schön und zweifellos korrekt formuliert. Zugespitzt könnte man auch sagen, gewisse Verträge sind nicht transparent und daher laut den Vorgaben der Finma missbräuchlich.

Preisüberwacher: «Flächendeckend missbräuchlich»

Missbräuchlich sind die Tarife für die Zusatzversicherten auch aus Sicht des Preisüberwachers. Er nimmt in dieser Frage kein Blatt vor den Mund und erklärte gegenüber Medinside: «Alle von uns geprüften Zusatzversicherungstarife überstiegen die ausgewiesenen Kosten um ein Vielfaches. Gemäss unseren Analysen sind die Zusatzversicherungstarife in der Schweiz vermutungsweise flächendeckend missbräuchlich überhöht.» Mehr dazu lesen Sie hier.
Preisüberwacher und Finma gehen aus unterschiedlichen Motiven gegen die missbräuchlichen Tarife vor. Für den Preisüberwacher geht es um die Marktmacht eines Unternehmens. Um tätig zu werden, bedarf es eines Nachweises einer marktmächtigen Position eines Spitals in einer konkreten Wettbewerbssituation. Die Marktmacht manifestiert sich unter anderem darin, dass im Bereich der Spitalzusatzversicherungen ein faktischer Kontrahierungszwang besteht.

Finma handelt im Interesse der Versicherten

Die Finanzmarktaufsicht hingegen vertritt die Interessen der Versicherten und geht deshalb gegen überhöhte Spitaltarife vor. Im Genehmigungsverfahren überprüft somit die Finma einerseits die Solvenz des Krankenversicherers und andererseits den Schutz der Versicherten vor Missbrauch.
So schreibt die Finma im eingangs genannten Brief, dass sie Prämiensenkungen durchsetzen werde, «wenn ein Versicherungsunternehmen eine missbräuchlich hohe Gewinnmarge oder nicht belegbare Kosten für ein Krankenzusatzversicherungsprodukt einkalkuliert.»

Finma? Interessiert uns nicht

Das Problem liegt aber darin, dass die Finma gegenüber den Krankenversicherern sehr wohl Forderungen stellen kann, aber nicht gegenüber Spitälern und Ärzten. Ganz unverblümt lässt das die Adus-Klinik aus Dielsdorf ausrichten. In einem Brief, der Medinside vorliegt, schreibt eine gewisse CS Consulting Sutter im Namen der Dielsdorfer Adus Klinik: «Die Finma hat keine Aufsichtszuständigkeit gegenüber Spitälern.»
Gegenüber Spitälern einschreiten könnte aber der Preisüberwacher, sofern er eine marktmächtige Position nachzuweisen vermag. In einem konkreten Fall hat er das bereits getan: Im Fall der Spital STS AG in Thun. Dort hat er ein Exempel statuiert und das Spital mit einer einvernehmlichen Regelung zu einer Senkung der VVG-Tarife verpflichtet. 
Dumm nur, dass es der Preisüberwacher bei diesem einen Exempel belässt und vorläufig keine weiteren Einzelfallprüfungen mehr macht. (Mehr dazu lesen Sie hier).


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