So sieht die Spitalplanung der Zukunft aus

Die Voraussetzungen für die Gesundheitsplanung sind in den einzelnen Kantonen sehr unterschiedlich. Ebenso verschieden sind auch die Vorstellungen der Spitalplanenden, das wurde am 8. DRG-Forum in Bern deutlich.

, 24. Januar 2019 um 17:19
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Ist Teil einer integrierten Versorgung: das wohl kleinste Spital der Schweiz in Mustair. | Screenshot bfb architekten
«Weiter rumdoktern bringt nichts», sagte die Berner Spitalplanerin Annamaria Müller im Herbst zu Medinside. Sie forderte einen fundamentalen Wandel im Gesundheitswesen hin zu einem versorgungsorientierten System. Das gab zu reden. Die Frage «Leistungs- oder versorgungsorientierte Planung: Was taugt für die Zukunft?», wurde am Donnerstag auch am 8. DRG-Forum Schweiz-Deutschland diskutiert.
Für Nicola Katharina Kull, Departementssekretärin Gesundheit des Kantons  Graubünden, gibt es keine für die ganze Schweiz gültige Lösung. Dafür seien die Voraussetzungen zu unterschiedlich. Im bergigen Kanton Graubünden gelte es, die Versorgung in allen Tälern sicherzustellen. «Das bereitet uns Mühe.» So gebe es Kleinstspitäler mit nur zwei Betten. Und es sei nicht immer einfach, dafür Personal zu finden.
Mutiger Bergkanton
Der Kanton Graubünden geht bei der Versorgungsorientierung weiter als die meisten anderen Kantone: So setzt er in seinen 12 Gesundheitsregionen auf einzelne Universalanbieter. Das Ziel: Alle Aufgaben des Gesundheitswesens müssen aus einer Hand kommen. Deshalb werden Spitäler, Heime, Rettungswesen, Notfallversorgung, Spitex und Gesundheitsförderung zusammengelegt. Die Trägerschaften dieser Versorger ist gemäss Kull idealerweise eine Stiftung.
Von diesem integrierten Modell verspricht sich der Kanton Synergien. Die Umstellung auf solche integrierte Versorgungszentren erfolgt für die Regionen und Anbieter aber freiwillig. «Mancherorts läuft das gut, andernorts weniger», sagt Kull. Man versuche, die Regionen zum Mitmachen zu motivieren.
Das KVG hinkt hinterher
Gesundheitsökonom Willy Oggier lobt das Bündner Modell. Er stört sich aber daran, dass das schweizerische Krankenversicherungsgesetz eine solche Versorgungsorientierung eigentlich gar nicht vorsieht. Dies müsse geändert werden. Denn neue integrierte Modelle bräuchten auch neue Finanzierungsmodelle. Eine Möglichkeit: ein regionales Universalbudget. Es gebe ein Beispiel aus Deutschland, die zeige, dass dies funktioniere. Theoretisch sei ein solches Modell auch bei einer Finanzierung durch Kanton und Versicherer möglich.
Oliver Peters, der stellvertretende Direktor des Lausanner Universitätsspitals CHUV, ist überzeugt, dass bestehende Probleme des DRG dringend behoben werden müssen. Neuerungen in Form von integrierten Versorgungsmodellen sieht er als sinnvoll an. Dies wie von Oggier propagiert vor allem auf regionaler oder Ebene - oder durch Leistungsintegrationen. Dies etwa, indem Leistungen für Eingriffe nur dann übernommen werden, wenn Spitäler auch über eine längere Frist die Nachbetreuungen fix übernehmen.
Das Gegenbeispiel
Ziemlich anders als im Kanton Graubünden läuft die Spitalplanung im Kanton Basel-Stadt. Dies nicht zufällig. Die Herausforderungen sind teilweise völlig andere: Das urbane, dicht besiedelte Basel verfügt landesweit über die höchste Ärztedichte, die höchsten Gesundheitskosten und Krankenkassenprämien pro Kopf sowie eine hohe Hospitalisierungsrate. Das sagt Spitalplaner Thomas von Allmen selbstkritisch. Die Zahlen hätten teilweise demografische Gründe. «Doch die Auswertung von Zahlen hat zumindest Anzeichen für eine Überversorgung ergeben.» Das sei bei 28 Spitälern in der Region auch nicht erstaunlich. 
Man gehe denn auch davon aus, dass die Überversorgung auch eine angebotsinduzierte sei. Konkret liegt das basel-städtische Überversorgungspotenzial bei ausgewählten chirurgischen Eingriffen zwischen 16 und 60 Prozent, so von Allmen. Punktuell gebe es auch Unterversorgungen – etwa bei der Behandlung von Anorexiepatientinnen und -patienten.
Pionierin Basel
Unter- und Überversorgungen will man in der Stadt Basel nun angehen. Aufgrund der Überversorgung habe man bereits beim Erstellen der letzten Spitalliste genauer hingeschaut, sagt Spitalplaner von Allmen. «Wo die Fallzahl unter zehn Fällen lag, haben wir mit den Anbietern das Gespräch gesucht.» Nun wolle man noch einen Schritt weitergehen. Dies gemeinsam mit dem zweiten Basler Halbkanton, mit der man die eigene Spitalversorgung koppeln will. Voraussetzung ist ein Ja der Stimmbürger am 10. Februar an der Urne.
Vorgesehen ist, dass beim Erstellen der Spitallisten ab 2021 ein mehrstufiges Verfahren zur Anwendung kommen soll. Erst wird mit einer Ausschreibung geprüft, welche Anbieter geeignet sind. Dies in einem offenen Verfahren, das schweizweit allen Anbietern offen steht. Daraufhin werden wir in einer zweiten Runde potenzielle Bewerber eingeladen. Die Evaluation und Auswahl soll nach «rechtsgleichen Kriterien» erfolgen, die unter anderem den Bedarf, die Qualität, die Wirtschaftlichkeit, die Erreichbarkeit berücksichtigen. Ebenso die politisch festgelegten Ziele, wie die Stärkung der universitären Medizin oder ein Beitrag zur Kostendämpfung.
Im Kern herrscht Einigkeit
Parallel dazu will Basel das Indikationscontrolling verstärken. Vorerst läuft ein  Pilotprojekt im Bereich der Hüft- und Knieimplantate. Spitalplaner von Allmen ist überzeugt: «Die Outcomequalität wird künftig generell mehr Gewicht erhalten.»
Und was sagt von Allmen zur Frage, ob  eine leistungs- oder eine versorgungsorientierte Planung besser ist? «Es braucht nicht leistungs- oder versorgungsorientierte Planung, sondern beides.» Seine bündnerische Berufskollegin sieht das genau gleich - aller Unterschiede zwischen den Kantonen zum Trotz.

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