Liegt es nun an der Covid-Pandemie mit den immensen Belastungen für das Pflegefachpersonal, oder an den generellen Arbeitsbedingungen, die seit Jahren vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) kritisiert werden? Tatsache ist, dass in der Schweiz bereits vor der Pandemie fast die Hälfte der ausgebildeten Pflegefachpersonen aus dem Beruf ausgestiegen sind – viele bereits vor ihrem 35. Geburtstag. Doch zuerst zu den Befürchtungen des International Council of Nurses (ICN):
Der Warnschrei des ICN vor einem Massenexodus von Pflegefachpersonen folgt zum alljährlichen International Nurses Day (IND). Der ICN geht davon aus, dass die immensen Belastungen durch die Covid-Pandemie dazu führen könnten, dass
drei Millionen Pflegefachleute den Beruf verlassen, schreibt der SBK in seiner Mitteilung. Zum Verhältnis: Weltweit zählt der ICN
27,8 Millionen Pflegefachpersonen.
Covid-Opfer, Gewalt und Diskriminierung
Schon in normalen Zeiten habe die Berufsgattung unter hohen Belastungen, schlechter Bezahlung und tiefer Anerkennung gelitten. Die permanente Überlastung der Pflegefachpersonen, die in der Pandemiebekämpfung weltweit an vorderster Front stehen, fordere nun ihren Tribut.
80 Prozent der nationalen Pflegeverbände würden gesundheitliche Probleme wie Erschöpfung, Burnout, Depression und Schlafstörungen vermelden. In mehreren Ländern seien Pflegefachpersonen Opfer von Diskriminierung und Gewalt: Ihnen werde unterstellt, das Virus zu verbreiten. Weltweit seien 2700 Pflegefachpersonen dem Coronavirus zum Opfer gefallen.
Auf Anfrage von Medinside erklärt der SBK, dass dem Verband nicht bekannt sei, dass Pflegefachpersonen an Covid gestorben seien. Was bekannt ist: Gemäss
Bundesrat erkrankten hierzulande 5000 Gesundheitsfachpersonen an Covid; rund 300 mussten hospitalisiert werden.
Die Befürchtungen des SBK
Der International Nurses Day geht heute auch in der Schweiz über die Bühne: Nebst diversen Protestmärschen, begrüsst Bundespräsident Guy Parmelin am virtuellen SBK Kongress. Ebenso ein Wort an die Teilnehmenden richten werden BAG-Direktorin Anne Lévy sowie der CEO des ICN, Howard Catton und Shoshi Goldberg, Chief Nursing Officer aus Israel.
Wie der SBK in seiner Mitteilung schreibt, gibt es vermehrt Hinweise, dass die Ausstiegsquote in der Schweiz steigen wird. «Ein Monitoring über die Konsequenzen der Pandemie für die Pflegenden besteht in der Schweiz noch nicht», lässt sich Yvonne Ribi, Geschäftsführerin SBK, zitieren. In den Diskussionen rund um den indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative hätte es das Parlament in der Hand gehabt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, damit Pflegenden im Beruf bleiben.
Keine konkreten Zahlen vorhanden
Doch wie sieht die Situation in der Schweiz tatsächlich aus? Konkrete Zahlen dazu gebe es nicht, so der SBK. «Wir hören davon aus Institutionen, Medien und von Mitgliedern. Dass es nachweislich an Fachkräften mangelt, zeigt unter anderem der Job-Radar mit fast 6000 offenen Stellen für diplomierte Pflegefachpersonen – seit Jahren unangefochtener Spitzenreiter», erklärt Martina Camenzind vom SBK gegenüber Medinside.
Ein Blick auf den Job-Radar bestätigt die Aussage: Wie der Screenshot unten zeigt, sind Pflegefachpersonen mit 6124 offenen Stellen nebst Elektromonteuren und Software-Entwicklern in Bezug auf die Menge der ausgeschriebenen Stellen in der Schweiz unter den Top 3.
Mit 6124 offenen Stellen sind Pflegefachpersonen nebst Elektromonteuren und Software-Entwicklern in Bezug auf die Menge der ausgeschriebenen Stellen in der Schweiz unter den Top 3. (Printscreen)