Wie steht es um den Ärztemangel? Was lässt sich dagegen tun? Antworten dazu finden sich heute in der «Neuen Zürcher Zeitung». In einem Interview äussert sich
Andreas Zollinger, der ärztliche Direktor des Triemlispitals, zur akuten Lage in seinem Haus.
Derzeit sei das Problem insbesondere bei den Oberärzten und höheren Kaderärzten spürbar – und noch weniger bei Assistenzärzten. Denn die Spezialisierung führe dazu, dass das Spital für jeden Teilbereich Spezialisten benötige, was die Rekrutierung nicht einfacher macht. Auf der anderen Seite seien die Anforderungen gestiegen – und damit logischerweise der Aufwand.
Skizze eines Teufelskreises
Das Interview, geführt im Rahmen einer
Reportage über die Intensivmedizin am Triemli, bietet vor allem einen guten Eindruck, wie die wandelnde Arbeitszeit- und Work-Life-Anforderungen die Personalsituation in den Spitälern verändern.
- Die Arbeitszeiten der Assistenz- und Oberärzte wurden verkürzt, was den Mangel verschärft;
- deshalb wiederum können die Ärzte die Arbeitsbedingungen stärker diktieren;
- deshalb wiederum müssen die Spitäler flexiblere Arbeitsmodelle anbieten;
- und zugleich verlängert sich mit den Teilzeit-Varianten auch die Ausbildungszeit.
«Das ist ein riesiges Problem», sagt Andreas Zollinger in der NZZ. «Die Ausbildungsinhalte sind ja gegeben, zum Beispiel die Zahl der Fälle, die man behandelt haben muss. Wenn man 50 Prozent arbeitet, dann dauert die Ausbildung doppelt so lange. Zusammen mit der zunehmenden Spezialisierung geht es damit sehr lange, bis die jungen Ärzte bereit sind für Kaderstellen.»
Handlungsbedarf bei der Stadt
Ein Thema des Interviews ist ferner, dass das Triemli nicht dem Arbeitsgesetz untersteht und die 50-Stunden-Grenze im Stadtspital noch nicht gilt. Chefarzt Zollinger kann nicht bestätigen, dass dies Rekrutierungsprobleme bereite, denn: «Im Durchschnitt arbeiten unsere Oberärztinnen und -ärzte nicht mehr als an anderen Spitälern. Nur in Einzelfällen ist das so.»
Und ohnehin sei die Arbeitszeit sei bloss ein Faktor von mehreren; ein breites Arbeitsspektrum, grosse Interdisziplinarität und guter Teamgeist seien ebenso wichtig. Allerdings: «Bezüglich Arbeitszeit und Abgeltung besteht in der Stadt aber tatsächlich Handlungsbedarf.»
«Das liesse sich beschleunigen»
Als wichtigste Massnahmen gegen den Ärztemangel nennt Zollinger eine signifikante Erhöhung der Studienplätze. Ausserdem wäre wohl eine frühere Spezialisierung angebracht: «Heute lernen ein Hausarzt und ein Herzchirurg während sechs Jahren das Gleiche. Erst danach beginnt die Spezialisierung, die nochmals fünf bis zehn Jahre in Anspruch nimmt. Das liesse sich beschleunigen.»
Und schliesslich sei es wichtig, dass die Ärzte wieder verstärkt von administrativen Aufgaben entlastet werden.