Eine Myokarditis (Entzündung des Herzmuskels) wird meist durch Viren verursacht, unter anderem auch im Rahmen einer Covid-19-Erkrankung. Sie kann aber auch durch Medikamente, toxische Substanzen oder im Rahmen einer rheumatologischen Erkrankung entstehen.
Die klinische Abklärung ist schwierig, weil die Symptome stark variieren: von Müdigkeit über Brustschmerzen, Herzklopfen und Atemnot bis zum seltenen plötzlichen Herztod, Letzteres im Zusammenhang mit sportlicher Aktivität.
Heute kommt bei Verdacht auf Myokarditis meist eine Herz-Magnetresonanztomographie (MRI) zum Einsatz. Die daraus gewonnenen Daten erlauben bisher in einigen Fällen keine ausreichend personalisierte Risikoabschätzung und entsprechende Behandlung.
Übersichtsstudie weist auf neue Ansätze hin
In einer Übersichtsstudie in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen, dem Bristol Heart Institute und der Harvard Medical School hat eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Professor Christoph Gräni, Leitender Arzt und Leiter Kardiale Bildgebung an der Universitätsklinik für Kardiologie des Inselspitals und der Universität Bern verschiedene Herz-MRI-Parameter in ihrer Bedeutung für die Diagnose, Prognose und Überwachung bei Herzmuskelentzündung beurteilt.
«Aus dem Vergleich der verschiedenen bisherigen Diagnosewerkzeuge können wir neue Ansätze für die künftige Forschung und Entwicklung herleiten. Als Nächstes werden wir ermitteln, wie KI uns bei einer raschen und umfassenden Auswertung der vielen unterschiedlichen klinischen Parameter und Bilddaten unterstützen kann,» wird Christoph Gräni in der Medienmitteilung zitiert. «Dazu freut es mich, dass wir Fördergelder vom Berner Center for Artificial Intelligence in Medicine (CAIM) erhalten haben, um diese vielversprechende Forschungsrichtung zu verfolgen.»
Komplexe Herzfunktionsdaten mit KI lesbar machen
Im Herz-MRI können pro Patientin oder Patient über 1000 Messgrössen erhoben werden, darunter Parameter zur Anatomie, Gewebecharakterisierung von Herzmuskel und Herzbeutel (zum Beispiel Entzündungen oder Narben) sowie zur genauen Herzmuskel-Funktion. Die Physikerin Yasaman Safarkhanlo, die ihr Dissertationsprojekt unter der Leitung von Professor Gräni an der Universitätsklinik für Kardiologie absolviert, erklärt dazu:
«Erst KI kann diese vielen Variablen gesamthaft und schnell auswerten. Wir wollen die Daten sprechen lassen, um besser zu verstehen, was genau bei der Herzmuskelentzündung passiert. Das ist ein neuer Ansatz, der nicht von unserem bisherigen Physiologie-Verständnis ausgeht und auf den Bildern nach einem bekannten Merkmal sucht. Vielmehr kommen wir mit unserem Projekt von der Datenseite her und sehen, welche neuen Zusammenhänge wir auf den Bildern entdecken – um in Zukunft eine bessere Behandlung anbieten zu können.»
Gezielte Beratung von Sportlern
Ziel der Forschenden ist es, Auswertungswerkzeuge zu entwickeln, mit denen bei einzelnen Betroffenen genau bestimmt werden kann, ob die Herzmuskelentzündung spontan und nachhaltig abheilen wird oder ob eine enge Überwachung nötig ist.
«Besonders Sportlerinnen und Sportler könnten so besser beraten werden: Das Ziel ist einerseits den plötzlichen Herztod zu vermeiden, aber andererseits Sporttreibende nicht unnötig in ihrer Aktivität einzuschränken» erklärt Gräni.
Dafür sollen dereinst sämtliche klinischen Daten und Bilddaten in das digitale Klinikinformations- und Steuerungssystem (KISS) der Insel Gruppe einfliessen und dort automatisch ausgewertet werden, um dem behandelnden Arzt oder der Ärztin eine Diagnose-Wahrscheinlichkeit sowie die Vorhersage des Verlaufs und einen passenden Therapie-Vorschlag vorzulegen.
Digitalisierung der KI-Anwendungen
Das Engagement der Universitätsklinik für Kardiologie, neuste digitale Technologien im Sinne personalisierter Medizin zu nutzen, kommt mit den Digitalisierungsprojekten an der Insel Gruppe und an der Universität Bern zu einem strategisch günstigen Zeitpunkt.
«Die Medizinische Fakultät der Universität engagiert sich stark für die Digitalisierung in der medizinischen Bildung und Forschung. Die Gründung des Center for Artificial Intelligence in Medicine erlaubt, die neusten Entwicklungen in digitaler Spitzentechnologie und künstlicher Intelligenz für personalisierte Behandlungsansätze nutzbar zu machen und dieses Wissen in Aus- und Weiterbildung zu verankern,» sagt Professor Claudio Bassetti, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Bern sowie Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Neurologie des Inselspitals Bern.