Wissen Sie, wieviele Pflegestellen in der Schweiz derzeit offen sind? Gegen 4'000. Natürlich finden sich darunter auch viele normale Fluktuations-Lücken. Aber es ist klar, dass die Pflege ein fundamentales Personalproblem hat und dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren massiv verschärfen wird.
Also wird viel darüber geredet, was zu tun wäre. Doch keiner redet über das, was man auf Englisch «the Elefant in the middle of the room» nennt. Also über das eigentliche Thema.
Wir machen es den Männern schwer
Der Elefant, das sind die Männer. Das eigentliche Thema ist, dass eine grosse Berufsgruppe, die sich fast vollständig aus der weiblichen Hälfte der Bevölkerung rekrutieren muss, zwangsläufig kaum Chancen hat, eine stark wachsende Nachfrage zu decken.
Kurz: Solange der Frauenanteil in den Pflegeberufen bei etwa 15 Prozent bleibt, können alle anderen Massnahmen gegen die Personalnot nur oberflächlich sein.
Das Problem ist nun, dass es unsere ach so moderne Gesellschaft den Männern auch schwer macht, hier offene Türen zu finden. In England ergab soeben
eine Befragung junger Pfleger, dass sie sich als exponierter empfinden, genauer beobachtet werden, kritischer beäugt sind. Auch fand eine Mehrheit, dass sie sich entspannter fühlen würden, wenn sie mehr männliche Kollegen an der Seite hätten.
Kurz: Ein Mann, der die Pflege wählt, braucht selbst 2017 noch Courage.
Hier der Pflegefachmann, da die Bauingenieurin
Das führt zu einer weiteren Einsicht (die
auch durch Studien bestätigt ist): Es ist nicht nur so, dass Frauen in der Berufswelt oft benachteiligt werden; sondern es je nachdem werden auch Männer gehemmt. Das tiefere Problem ist nämlich, dass wir nicht so sehr Menschen mit Vorurteilen beladen, sondern Berufe und Stellen. Und wenn eine Person nicht nicht ins Schema dieser Vorurteilte passt, wird ihr das Leben erschwert. Das gilt für Fussballschiedsrichterinnen oder Top-Managerinnen. Aber es gilt aber eben auch für Pädiatrie-Pfleger.
Die britische Umfrage sagte auch aus, dass diese jungen Männer öfter offen gefragt wurden, ob sie homosexuell seien. Und interessanterweise wurden sie regelmässig mit der Frage konfrontiert, weshalb sie denn nicht Medizin studierten – eine Frage, die Pflegerinnen bekanntlich kaum je gestellt wird.
Wenn also der Pflege-Personalnotstand jemals gelöst werden soll, müssen wir erst den alten Gordischen Knoten der Vorurteile durchschneiden. Doch wie?
Antwort: Schritt für Schritt. Eine naheliegende Lösung zeigten unlängst englische Spitäler und «Nursing Schools». Sie starteten unlängst die Aktion
#MenDoCare.
Dazu gehörten beispielsweise Veranstaltungen, die sich an Jugendliche richteten, und wo (männliche) Pflegeprofis aus ihrer Berufswelt berichteten. Kommt ihnen die Idee bekannt vor? Klar: Wir kennen sie zur Genüge aus dem Ingenieurs- oder IT-Bereich. Dort richten sich die Veranstaltungen einfach an junge Frauen.
In einem Fachbeitrag dazu legte übrigens Jacqueline Eccles, eine Pflege-Dozentin der Unversity Dundee, ein verblüffendes Argument vor, um die Attraktivität des Pflegebereichs für Männer zu betonen: Ausgerechnet dort würden männliche Profis nämlich rascher befördert als Frauen. Das sei doch – meinte sie mit ironischem Ton – wenigstens ein Punkt, der aus Sicht der Männer für die Pflege spricht.