Von 2019 bis 2029 besteht ein erheblicher Nachwuchsbedarf in der Gesundheitsbranche: 43'400 Personen beim Pflegefachpersonal auf Tertiärstufe (HF- und FH-Ausbildungen) und von 27'100 Personen beim Pflege- und Betreuungspersonal der Sekundarstufe II. Gemäss dem Referenzszenario lassen sich mit dem verfügbaren Nachwuchs 67 Prozent (Tertiärstufe) beziehungsweise 80 Prozent (Sekundarstufe II) des Bedarfs abdecken. Das ist das Ergebnis des nach 2009 und 2016 dritten Nationalen Versorgungsberichts zum Gesundheitspersonal in der Schweiz, den das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan), die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) sowie die Nationale Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit OdASanté erarbeitet haben.
Spitex-Bereich 39 Prozent Zuwachs
Die Prognose für 2029 basiert auf einer weiteren Steigerung der Zahl der Ausbildungsabschlüsse bei den Pflegeberufen, nachdem die Ausbildungstätigkeit in den vergangenen Jahren bereits intensiviert werden konnte. So stieg die Zahl der jährlichen Abschlüsse auf Tertiärstufe Pflege zwischen 2012 und 2019 von rund 1800 auf knapp 3000, und auf der Sekundarstufe II von 4000 auf fast 6200.
Auch bei den medizinisch-technischen und medizinisch-therapeutischen Berufen haben die Abschlüsse in den letzten Jahren zugenommen. «Die intensiven Anstrengungen der vergangenen Jahre zeigen Wirkung», lässt sich Anne-Geneviève Bütikofer, Präsidentin von OdASanté und Direktorin von H+ Die Spitäler Schweiz, im
Communiqué der GDK zitieren. Auch im laufenden Jahr sei eine positive Tendenz bei den Eintrittszahlen in eine Ausbildung im Pflegebereich festzustellen.
Zwischen 2012 und 2019 ist der Bestand des Pflege- und Betreuungspersonals in den Gesundheitsinstitutionen um 29'100 Personen angestiegen. Das ist ein Zuwachs von 19 Prozent. Am stärksten war der Personalzuwachs mit 39 Prozent im Spitex-Bereich, gefolgt von den Alters- und Pflegeheimen (plus 17%) sowie den Spitälern und Kliniken (plus 13%).
Die grosse Lücke bleibt
«Wir dürfen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen», betont Bütikofer. Denn trotz der erfreulichen Entwicklungen und Prognosen bei den Ausbildungsabschlüssen im Pflegebereich bestehe bis 2029 mit dem prognostizierten Deckungsgrad von 67 Prozent beziehungsweise 80 Prozent noch immer eine deutliche Lücke zwischen Angebot und Bedarf.
Diese Lücke wird heute zu einem grossen Teil von Personen mit ausländischem Diplom aufgefangen: Beim diplomierten Pflegefachpersonal beträgt ihr Anteil am Personalbestand im Durchschnitt 30 Prozent, wobei grosse (sprach-)regionale Unterschiede bestehen.
«Theoretisch würden die prognostizierten Ausbildungsabschlüsse bis 2029 ausreichen, um den Bedarf zu decken, der aufgrund der erwarteten Inanspruchnahme von Leistungen sowie durch Pensionierungen entsteht», schreibt die GDK. Die prognostizierte Lücke sei im Wesentlichen das Resultat von vorzeitigen Berufsaustritten und von Verlusten beim Übergang von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt.
Erneuter Apell an die Politik
Neben einer weiteren Steigerung der Ausbildungsabschlüsse brauche es deshalb Massnahmen zum Erhalt des Gesundheitspersonals wie die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine gute Einarbeitung (z.B. mit Mentoring-Modellen). Auch im Bereich Laufbahnplanung, berufliche Entwicklung und Talentförderung liege noch Potenzial brach.
Verantwortlich für solche förderlichen Arbeitsbedingungen seien primär die Betriebe. «Doch auch Politik und Behörden müssen die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen und genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Auch im Bereich der Ausbildung sind die Kantone gefordert, indem sie mittels Ausbildungsverpflichtungen dafür sorgen, dass sich die Betriebe im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der Nachwuchssicherung beteiligen», macht die GDK erneut aufmerksam.
Bereits beschlossen hat das Eidgenössische Parlament eine Ausbildungsoffensive, in deren Rahmen Bund und Kantone für Ausbildungsbeiträge je maximal 469 Millionen Franken zur Verfügung stellen. Diese Ausbildungsoffensive tritt zusammen mit zusätzlichen Kompetenzen für das Pflegefachpersonal in Kraft, wenn die Volksinitiative für eine starke Pflege am 28. November vom Stimmvolk abgelehnt wird.
SBK zum Nationalen Versorgungsbericht
Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK begrüsst den neuen Versorgungsbericht: Er bestätige, dass eine Ausbildungsoffensive bei den diplomierten Pflegefachpersonen dringend sei und es Massnahmen brauche, um die die Ausgebildeten im Beruf zu halten. Nur so könne die pflegerische Versorgung gesichert und die Auslandsabhängigkeit reduziert werden. Genau das werde mit der Pflegeinitiative umgesetzt, über die am 28. November abgestimmt werde, heisst es in der
Medienmitteilung.