Warum es deutsche Ärzte in die Schweiz zieht

Kein Globalbudget, mehr Zeit, weniger Klassenunterschiede. Drei Chirurgen erzählen, was sie in der Schweiz am meisten schätzen. Und sie üben harsche Kritik am deutschen Gesundheitssystem.

, 29. Juli 2019 um 11:38
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«In der Schweiz kann ich ein fürsorglicher Arzt sein». | Screenshot ZDF
Rund 7'000 Ärztinnen und Ärzte sind bereits von Deutschland in die Schweiz umgezogen. Jede fünfte Arztpraxis hierzulande ist in deutscher Hand. Das Schweizer Gesundheitssystem würde ohne deutsche Ärzte wohl kaum funktionieren. 
Die deutschen Mediziner schätzen vor allem die besseren Arbeitsbedingungen in der Schweiz, wie drei Chirurgen gegenüber dem Sender ZDF sagen: keine Fallpauschalen, keine Budgetierung, mehr Zeit. Das Geld sei es nicht!

Kein Unterschied zwischen allgemein und privat

Sie könne sich hier mehr Zeit lassen – und auf die Bedürfnisse der Patienten eingehen, sagt etwa Chirurgie-Fachärztin Simone Deyle vom Zuger Venenzentrum. Dem Patienten gerecht werden, das mache sehr viel Freude. Sie arbeitet schon mehrere Jahre in der Schweiz: unter anderem an den Kantonsspitälern Zug, Baselland und Luzern. 
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Deutsche Ärzte zieht es in die Schweiz. | Screenshot ZDF
Anders als in Deutschland hätten die Ärzte nicht das Gefühl in Systemzwängen gefangen zu sein. Hier sei die Klassengesellschaft – anders als in Deutschland – wenig spürbar, sagt Deyles Kollegin Karin Bias. Bei Wartezeiten oder Terminvergaben gebe es keinen Unterschied zwischen allgemein und zusatzversicherten Patienten, was sie als sehr angenehm empfinde. Auch Bias kennt die Schweiz gut, sie arbeitete unter anderem am Waidspital, am Stadtspital Triemli und mehrere Jahre am Kantonsspital Luzern. 

Hier gelangen Sie direkt zum Beitrag auf ZDF (mit FMH-Präsident Jürg Schlup). 

In Deutschland ist der Patient «Massenware»

Ähnlich tönt es bei Holger Engel, Chirurg für plastische, rekonstruktive und ästhetische Medizin beim Zuger Venenzentrum. In der Schweiz kann er ein fürsorglicher Arzt sein, wie er dem TV-Sender erklärt. Er müsse anders als in Deutschland nicht immer die Wirtschaftlichkeit im Blick haben. Engel arbeitete in Ludwigshafen, in Taiwan, an der Chirurgischen Uniklinik Heidelberg und als stellvertretender Chefarzt am Klinikum Kassel.
Am deutschen System übt der Chirurg harsche Kritik: Der Patient sei zur «Massenware» geworden. Und es herrsche eine «umsatzorientierte Situation», so der Chirurg weiter. Wenn der Arzt als zwischengeschaltetes Segment nicht ethisch handle, also den Patienten im Fokus habe, dann sei es in Deutschland wie am Fliessband, kritisiert Engel. 
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