Spital STS: Fast alle Verwaltungsräte werfen hin – und kommen ihrer Abwahl zuvor

Der Streit um das Spital Zweisimmen erreicht eine weitere Stufe. Die Spital-AG äussert klare Vorwürfe gegen Regierungsrat Pierre Alain Schnegg.

, 24. Juni 2024 um 10:04
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Im Infight: Berns Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP).
Fast der gesamte Verwaltungsrat der Spital STS AG tritt nicht mehr zur Wiederwahl an; einzig die Vertreterin aus dem Simmental-Saanenland, Corinne Reuteler, bleibt an Bord.
Im Hintergrund stehen die Differenzen um die Weiterentwicklung des Spitals Zweisimmen. Die Kantonsregierung – und Besitzerin – beschloss, das Haus der privaten Betreiberfirma Medaxo zu übergeben, die ein integriertes Versorgungskonzept umsetzen will.
Der Verwaltungsrat der Spital STS AG lehnte die Übergabe jedoch ab; er berief sich dabei auf die Finanzkontrolle, laut der die gesetzliche Grundlage dafür fehle. Auch würde bei diesem Vorgang die Kompetenz des Kantonsparlaments umgangen. Der Vertrag mit Medaxo sieht unter anderem einen Millionen-Beitrag für den Betrieb respektive als Bürgschaften vor.

Gehen, um nicht gegangen zu werden

Die kantonale Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) will diesen Einwand derzeit nicht weiter kommentieren, da der Bericht der Finanzkontrolle vertraulich ist; sie teilt lediglich mit, dass sie sich der Argumentation nicht anschliessen könne.
Tatsächlich blieb der zuständige Regierungsrat auf seiner Position: «Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg hat persönlich die Verhandlungen zwischen Medaxo/Hohmad in verschiedenen Sitzungen moderiert und massiven Druck auf die Verhandlungsdelegation des Spital STS AG ausgeübt, der Finanzierung mittels Direktzahlungen in Millionenhöhe zuzustimmen», schreibt die Spital-STS-Spitze im Communiqué vom Montag: «Eine legale Finanzierung, wie sie die Verhandlungsdelegation der Spital STS AG vorgeschlagen hatte, wies er indes zurück.»
Die Rede ist dabei auch von «Drohungen von Massnahmen, andere für diesen Fehler verantwortlich zu machen». Auch habe Schnegg mündlich die Absicht geäussert, an der Generalversammlung breit den Verwaltungsrat nicht wiederzuwählen.

Nachfolge bereits geregelt

Der Regierungsrat habe einen neuen Präsidenten und neue Verwaltungsräte bereits bestimmt und deren Wahl an der Generalversammlung am Mittwoch angekündigt. Dies bestätigt Gundekar Giebel, der Sprecher der Gesundheitsdirektion: Die GSI werde bald die Nachfolgelösungen präsentieren können. Und: Die heutige Aktion sei in diesem Rahmen zu sehen.
Konkret stellen sich also vier weitere Verwaltungsräte nicht mehr zur Wiederwahl. Es sind dies VR-Präsident Gabriel Schär, ferner Urs Baumberger, Margrit Rindlisbacher und Dominique Schmid. Zuvor hatten schon die Verwaltungsräte Peter Stähli und Alphons Beat Schnyder ihre Demission angekündigt. Somit verbleibt noch Corinne Reuteler, die Vertreterin aus dem Simmental-Saanenland, im Aufsichtsgremium.
«Der Verwaltungsrat ist irritiert über die Druckausübung von Regierungsrat Schnegg, der Einmischung in die Verwaltungsratsgeschäfte und die Planung der Abwahl, der nun einige Verwaltungsräte zuvorgekommen sind», schreiben die scheidenden Mitglieder. Und sie wiederholen ihre Zweifel, ob der Kanton die richtige Versorgungsstrategie für das Simmental-Saanenland verfolge.

Die Geschichte

Im Hintergrund steht, dass die Spital STS den Spitalstandort Zweisimmen aufgab, da die Gebäude kaum noch für heutige Ansprüche nutzbar waren und ein Neubau unvermeidbar schien. Ein Klinikneubau wurde zwar 2014 angekündigt, es gab auch einen Architekturwettbewerb. Das Projekt wurde jedoch gestoppt, nachdem der Regierungsrat des Kantons Bern die langfristige Finanzierung des neuen Spitals ablehnte.
In der Folge gab es Versuche, das Spital auf der Basis mehrerer Gemeinden zu retten oder es im Rahmen eines gemeindeigenen Gesundheitsnetzes neu zu definieren; sie scheiterten jedoch in diversen Volksabstimmungen.
Ende März beschloss also die Kantonsregierung, dass Medaxo in Zweisimmen für die Versorgung der Region einen Klinikbetrieb aufbauen soll. Das Privatunternehmen betreibt mit rund 180 Angestellten die Klinik Hohmad in Thun, ferner zehn Praxen im Kanton Bern sowie eine in Zürich, und schliesslich führt sie mobile Heimarztpraxen mit Standorten in Spreitenbach, Muri bei Bern und Zürich.
Als Vorbild für den neuen Betrieb in Zweisimmen nannte Medaxo-Gründer und -Inhaber Thomas Mattmann gegenüber dem «Thuner Tagblatt» die eigene Belegarzt-Klinik Hohmad, welche als kantonales Listenspital insbesondere Chirurgie, Orthopädie, Urologie und Gynäkologie anbietet.
Allerdings muss das Unternehmen für die Zweisimmen-Pläne massiv investieren. Dafür soll Medaxo vom Kanton jährlich bis zu 3 Millionen Franken zur Deckung des Defizits erhalten; ferner sieht das nun abgesegnete Projekt ein kantonales Darlehen von 10,5 Millionen Franken zur Sicherung der Liquidität vor, aber auch eine Bürgschaft von 20 Millionen für einen Neubau.
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