Demos und Petitionen: Die Gesundheitsbranche wird lauter

Die Physiotherapeuten können ihre Tarif-Proteste als Zeichen der Stärke verbuchen. Dabei kommt ihnen wohl der Zeitgeist zugute.

, 17. November 2023 um 15:46
image
Protestkundgebung gegen die neuen Physiotherapie-Tarife in Bern, 17. November 2023   |  Bild: zvg.
Ob der Erfolg der Pflegeinitiative der Zünder war? Jedenfalls ist die Gesundheitsbranche in der politischen Debatte so präsent wie schon lange nicht mehr. Am vergangenen Samstag versammelten sich in St. Gallen 3'000 Personen, um gegen den Personalabbau bei den kantonalen Spitälern zu protestieren.
Am Donnerstag startete das Kantonsspital Graubünden eine Petition, um die Kinder-Intensivstation zu retten. Jetzt, einen Tag und 17'000 gesammelte Unterschriften später, ist bereits klar, dass dies die erfolgreichste Petition in der Bündner Geschichte wird.
Am Freitag traten dann die Physiotherapeuten ins Rampenlicht: Die Berufsgruppe, die bislang im Vergleich zu Ärzten und Pflegepersonal eher diskret wirkte, wehrt sich derzeit sehr sicht- und hörbar für seine Einkommen. Respektive gegen den Tarifeingriff des Bundesrates.
Auch hier wurde nun in Bern eine Petition mit beeindruckenden Zahlen eingereicht: 280'000 Personen hatten ein Papier gegen die geplante Anpassung der Physiotherapeuten-Tarife unterschrieben.
image
Mirjam Stauffer, Präsidentin von Physioswiss; Demonstranten an der Kundgebung in Bern.
Zum Vergleich: Der Verband Physioswiss hat rund 11'000 Mitglieder.
Gegen 10'000 Personen hatte der Kantonsverband Physiobern für die Protestkundgebung am Freitag selbstbewusst angekündigt – was für die Schweiz eine Grossdemonstration ist, zumal an einem Wochentag. Und tatsächlich fanden sich etwa so viele Menschen auf dem Bundesplatz ein.
Physioswiss hatte zuvor violett-gelbe Schals verteilt, worauf die Forderung stand: «Sparen ja, aber nicht auf unserem Rücken. Nein zum Tarifeingriff».
Insgesamt zeigt sich also in diesem Herbst, dass das Gesundheitspersonal seine Anliegen druckvoll vorbringen kann – und dabei in der Bevölkerung auf grossen Rückhalt stösst.
Genau dies dürfte die Lektion der Pflegeinitiative gewesen sein, die vor knapp zwei Jahren eine solide Mehrheit von 61 Prozent der Stimmbürger hinter sich sammeln konnte – trotz der Dauerdebatte um höhere Gesundheitskosten: Nämlich dass die Sympathie für die pflegenden und heilenden Hände grösser ist als die Bereitschaft, ausgerechnet da zu sparen.
Eine Rolle dürfte wohl auch der Verdacht spielen, dass hier sowieso nicht die grossen Kostenbrocken liegen. Zum Beispiel belaufen sich die Physiobehandlungen auf 1,3 Milliarden Franken – bei Gesundheitsausgaben von insgesamt 83 Milliarden.

Zum Thema:

  • Wie viel verdienen Physiotherapeuten wirklich? Physiotherapeutinnen kommen im Schnitt auf einen Stundenumsatz von 60 Franken – Umsatz, nicht Lohn.
  • Vereint gegen «unausgegorene Tarife»: Die Physiotherapeuten fürchten, dass der Bundesrat bei ihnen vorexerzieren will, wie er im Gesundheitswesen sparen will.

  • Physiotherapie
  • politik
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Luzern: Referendum gegen neues Spitalgesetz

Die Luzerner Grünliberalen sind gegen die Festlegung des Leistungsangebots der Spitäler im Gesetz.

image

«Kritiker der Komplementärmedizin haben eine zu einseitige Sicht»

SP-Ständerätin Franziska Roth kritisiert im Interview die Haltung von Gegnern der Komplementärmedizin. Sie verkennen den Wert der ärztlichen Expertise.

image

Überraschende Rechnung: Medizinstudium soll viermal günstiger sein

Hat die Politik bislang mit falschen Zahlen gerechnet? Eine Analyse des Verbandes der Schweizer Medizinstudierenden Swimsa deutet darauf hin.

image

Bewilligungs-Wildwuchs: Physio-Firmen bereiten Klage vor

Die kantonalen Unterschiede bei der Berufsausübungs-Bewilligung in der Physiotherapie stossen auf Unmut. Jetzt soll geklärt werden: Welche Kantone gehen zu weit?

image

Initiative fordert Stärkung der Medikamenten-Versorgung

Die Initiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit» wurde heute mit 131'500 Unterschriften eingereicht.

image

Bundesrat obsiegt gegen Tarifpartner - aber nur knapp

Die Laborkosten steigen und steigen. Das Problem ist nicht der Tarif. Es ist die Menge.

Vom gleichen Autor

image

CHUV: Gericht schiebt IT-Beschaffung auf die lange Bank

Bevorzugen Schweizer Spitäler bei ihren Ausschreibungen für ein neues Klinikinformations-System den US-Anbieter Epic? Die Frage wird auch in der Romandie akut.

image

Unispitäler häuften 210 Millionen Franken Verlust an

«Wir sind hart vor der finanziellen Kante»: So der Befund von Werner Kübler, dem Direktor des Universitätsspitals Basel.

image

Auch Graubünden will Spitäler mit 100 Millionen stützen

Das Geld würde aber nicht direkt an die Betriebe gehen. Zudem sollen Spitäler leichter in Gesundheitszentren verwandelt werden können.