Das Berner Inselspital lässt die Vorwürfe wegen schlechter Behandlungsqualität nicht unwidersprochen auf sich sitzen.
Probleme bei Darm- und Gelenkoperationen
Zwar zeigen die Statistiken des Nationalen Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern (ANQ) unmissverständlich, dass das Berner Inselspital bei Dickdarm- und Hüftgelenk-Operationen in der Vergangenheit
schlechter abschnitt als andere Spitäler.
Doch nun erklärt ein Vertreter der Insel, weshalb es zu diesen Zahlen kam. Martin Fiedler, ärztlicher Leiter des Medizinbereichs innere Medizin der Insel-Gruppe, sagte
gegenüber der Online-Zeitung «Infosperber», die sich kritisch mit dem Universitätsspital befasst hatte:
«Die Insel-Gruppe tut heute extrem viel. Das beweisen viele Qualitäts-Zertifizierungen. Ein interdisziplinäres Monitoring bei schweren Fällen ist bei uns Standard.»Mehr als doppelt so viele Nachbehandlungen
Einer der Vorwürfe ans Spital lautete: Nach dem Einsetzen von Hüft- und Knieprothesen in den Jahren 2017 bis 2020 mussten im Zeitraum von zwei Jahren nach den Operationen mehr als doppelt so viele Revisions-Operationen gemacht werden wie im Durchschnitt der Schweizer Spitäler.
Fiedler begründet diese schlechten Zahlen: «Bei uns im Inselspital ist die Orthopädieabteilung gleichzeitig für die Unfallchirurgie zuständig. Wir haben hier im Inselspital auch das zentrale Traumazentrum. In Zürich beispielsweise verteilen sich die Notfälle im Gegensatz zu Bern auf verschiedene Spitäler.»
Privatspitäler übernehmen leichtere Fälle
In Bern würden die meisten elektiven – also die nicht notfallmässigen – Knie- und Hüftprothesen in Spitälern mit privater Trägerschaft eingesetzt und nicht im Inselspital.
Dem Inselspital bleiben die schweren und damit auch die riskanteren Fälle. Doch künftig sollte das Inselspital deswegen nicht mehr die schlechteren Qualitätszahlen aufweisen. Fiedler sagt: «Im Gegensatz zu früher erfassen wir heute die Komplexität der Fälle, so dass dies bei kommenden Vergleichen klar ersichtlich ist.»
Mehr Infektionen nach Darm-Eingriffen
Auch nach Operationen des Dickdarms kam es im Inselspital in der Vergangenheit zu 160 Prozent mehr Infektionen als im Durchschnitt der Schweizer Spitäler.
Martin Fiedler begründet diese hohen Infektionsraten ebenfalls damit, dass im Inselspital überwiegend schwere Fälle behandelt würden. Die «normalen» Fälle gingen in Bern in andere Spitäler.
«Risikofaktoren schwer erfassbar»
Die unterschiedlichen Infektionsraten müssten nichts mit der medizinischen Qualität zu tun haben. «Die Risikofaktoren sind eben nicht ausreichend erfassbar. Im Inselspital behandeln wir eine Selektion von besonders schweren Fällen», sagt Fiedler und er versichert: «Wir haben extrem viel unternommen, um Infektionen auch bei diesen schweren Fällen zu vermeiden.»
Martin Fiedler räumt ein, dass es für die Öffentlichkeit sehr schwierig herauszufinden sei, welches Spital für bestimmte Eingriffe bessere Behandlungsresultate aufweist als andere. Er sagt selber: «Es wäre schön, wenn es ein Ampel- oder Sternesystem gäbe.»
Warum nicht so akribisch wie bei Flugzeugen?
«Infosperber» stellte im Interview fest: «Bei der Wartung von Flugzeugen werden Pannen und Fehler viel akribischer verfolgt und es wird schneller daraus gelernt als bei Pannen und Fehlern in Spitälern.» Und die Frage lautete: «Kann ein Grund sein, dass bei einem Flugzeugabsturz auch der Pilot und die Flugzeug-Crew tot sind, während die Chirurgen und ihre Teams in Spitälern stets am Leben bleiben?»
Dazu sagt Martin Fiedler: «Ärztinnen, Ärzten und Pflegenden geht es sehr nahe, wenn Fehler passieren. Es geht um Beziehungen von Mensch zu Mensch. Auch gibt es in Spitälern keine Hierarchien mehr wie früher, welche einer Fehlervermeidungskultur hinderlich waren. Unsere Mechanismen, um aus Beinahepannen und Fehlern zu lernen, sind sehr gut implementiert.»