Das Gesundheitswesen kämpft mit dem Fachkräftemangel. Schon vor der Covid-19 Pandemie herrschte Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften in den Spitälern und den Altersheimen. Die Arbeit in den Gesundheitsinstitutionen während der Covid-19 Pandemie war eine Herkulesaufgabe für die Pflegenden, und viele im Gesundheitswesen sind erschöpft und ernüchtert. Monatlich verlassen 300 Pflegende den Beruf ,und der Pflegemangel in den Teams verschärft sich täglich. Stand heute sind über 14`000 Stellen unbesetzt und die Institutionen suchen verzweifelt qualifiziertes Personal. Der «Pflexit» führt zu Mehrbelastungen der restlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und führt zu erhöhten Kosten, da vermehrt Pflegekräfte via Temporärbüros angestellt werden.
«Die Tätigkeit im Gesundheitswesen ist für die meisten Mitarbeitenden eine Berufung und sie wollen das Beste für Ihre Patientinnen und Patienten.»
Ein nicht zu vergessender Aspekt in der Diskussion über den Fachkräftemangel und dessen Behebung sind die vielen Mitarbeitenden, welche jetzt tagtäglich im Gesundheitswese arbeiten. Sei es die diplomierte Pflegefachfrau in der Intensivstation, der Fachmann Betreuung im Altersheim oder die Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten: Sie sind täglich mit einer enormen Arbeitsbelastung und viel Druck konfrontiert, und jeder Ausstieg einer Berufskollegin oder eines Berufskollegen ist eine zusätzliche Belastung für jede einzelne Person.
Die Tätigkeit im Gesundheitswesen ist für die meisten Mitarbeitenden eine Berufung und sie wollen das Beste für Ihre Patientinnen und Patienten. Damit sie das können, müssen wir politisch noch entschiedener handeln. Schliesslich hat uns auch das Stimmvolk mit dem Ja zur Pflegeinitiative den Auftrag dazu gegeben. Das Parlament hat relativ rasch die erste Etappe der Pflegeinitiative aufgegleist, indem die Ausbildungsoffensive Ende 2022 verabschiedet wurde. Die Kantone haben es in der Hand, diese nun rasch umzusetzen.
«Es ist wichtig, dass wir unsere Mitmenschen im Gesundheitswesen wertschätzen und Sorge zu ihnen tragen.»
Ein Privatleben, genügend Ruhezeiten und gute Arbeitsbedingungen verdienen alle. Es ist wichtig, dass wir unsere Mitmenschen im Gesundheitswesen wertschätzen und Sorge zu ihnen tragen. Hier sind die Betriebe in der Pflicht, sie müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Pflegenden möglichst lange im Beruf bleiben. Dazu braucht es langfristige und sofortige Massnahmen für die Pflegenden. Die Pflegenden, welche tagtäglich eine enorme Arbeitsbelastung haben, brauchen eine Lohnerhöhung oder eine Arbeitsreduktion bei gleichem Lohn. Die Zulagen müssen erhöht werden. Weiter benötigt es eine neue Zulage für kurzfristige Dienstplanänderungen. Das kurzfristige Einspringen für Arbeitskolleg:innen soll monetär belohnt werden.
Weiter braucht es eine Erhöhung der jährlichen Ferienwochen. Aufgrund der Demografie haben wir zahlreiche Pflegende, welche in den nächsten Jahren in Pension gehen. Hier müssen die Betriebe grosszügige und kreative Lösungen finden, um die älteren Pflegenden bis zum Pensionsalter zu behalten. Weiter braucht es eine tatsächliche Erfassung der Arbeitszeit wie zum Beispiel Wegzeit in der Spitex zwischen Einsätzen.
«Damit wir die weiblichen Arbeitskräfte in unser Gesundheitssystem einbinden können, braucht es mehr externe Kinderbetreuung.»
Viele Pflegende in der Schweiz sind weiblich und haben Kinder. Damit wir diese wertvollen Arbeitskräfte in unser Gesundheitssystem einbinden können, braucht es mehr externe Kinderbetreuung. Die Pflegenden benötigen Zuschüsse für familienergänzende Kinderbetreuung, somit können sie zurück in die Pflege oder das Pensum erhöhen. Die Betriebe sollen zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern individuelle Lösungen kreieren.
Eine Lösung kann so aussehen, dass sie in der Phase der Kinderbetreuung keine Wochenend- oder Nachtschichten übernehmen müssen. Zur Umsetzung all dieser Massnahmen im Rahmen der 2. Etappe bin ich überzeugt, dass es einen nationalen Rahmen und Vorgaben braucht.
Der Bundesrat hat diesen Januar beschlossen, das Gesetz über die Kriterien für die Ausbildungsbeiträge im Sommer 2023 zur Vernehmlassung zu schicken. Das Gesetz soll voraussichtlich Mitte 2024 in Kraft treten. Weiter hat der Bundesrat dem Departement des Inneren den Auftrag gegeben, bis im Frühling 2024 ein neues Bundesgesetz über die anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen in der Pflege zu entwerfen. Hier liegt der Fokus auf den Massnahmen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. Die Richtung stimmt, doch das Tempo muss erhöht werden. Der «Pflexit» muss gestoppt werden und Sofortmassnehmen müssen implementiert werden. Und ja, das alles kostet. Aber Nichtstun kostet viel mehr und ist keine Option. Pflege braucht Pflege. Damit das gelingt, müssen Institutionen, Spitäler, Kantone, Sozialpartner und auch die nationale Politik gemeinsam handeln.
Flavia Wasserfallen ist SP-Nationalrätin aus dem Kanton Bern.