BAB: Pflege-Berufsverband protestiert gegen Zürcher Kontroll-Pläne

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich fordert bei Spitex und Spitälern zusätzliche Papiere – mit Millionen-Mehrkosten für die Leistungserbringer.

, 8. Oktober 2024 um 10:20
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Wenn man zur Kundschaft geht – arbeitet man dann in eigener fachlicher Verantwortung?  |  KI-Symbolbild: Medinside (made mit Midjourney)
Wie sich die Bürokratie stetig ausweitet, obwohl alle einhellig nach weniger Bürokratie rufen – dies wird im Feld der Berufsausübungs-Bewilligungen nachvollziehbar (siehe hier, hier). Das neuste Beispiel findet sich in Plänen des Kantons Zürich. Dort will die Gesundheitsdirektion, dass künftig alle Pflegefachpersonen in Spitex-Organisationen noch eine BAB beantragen müssen, sofern sie mehr als 50 Prozent beschäftigt sind: ganz gleich, ob sie nun einen HF-, FH- oder APN-Abschluss haben.
Zugleich baut der Kanton – genauer: das Amt für Gesundheit – auch in den Spitälern neue Anforderungen auf. Künftig sollen Abteilungsleitungen in der Pflege ebenfalls solch eine Bewilligung erlangen, nicht nur Chief Nurse Officers.

«Unsinnige Ausweitung»

Der Berufsverband SBK legt nun Protest ein: In einem Communiqué fordert die Vertretung der Pflegefachfrauen und -männer die kantonale Gesundheitsdirektion auf, die «unsinnige Ausweitung» bei den Berufausübungsbewilligungen abzublasen. Zürich solle denselben Spielraum nutzen wie andere Kantone und das Gesundheitsberufegesetz «mit einem gewissen Augenmass umsetzen», so die zuständige Sektion des SBK.
Im Hintergrund steht notabene auch, dass Zürich bei den Gebühren für solche Bewilligungen an der Spitze steht: Die Lizenz kostet jeweils 800 Franken.
Der kantonale Spitex-Verband hat errechnet, dass die Pläne der Gesundheitsdirektion am Ende Zusatzkosten von einer bis zwei Millionen Franken schaffen werden. Ein weiteres Problem, das damit entsteht: Das Engagement neuer Spitex-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter wird um eine weitere Stufe verkompliziert und verzögert. Die Gesundheitsdirektion selber schätzt, dass «nach Vorliegen des vollständigen Gesuches mit einer Bearbeitungsdauer von 6-8 Wochen gerechnet werden» muss.

Quizfrage: Wann geht ein Kanton zu weit?

Die Behörden um Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) berufen sich auf das revidierte Gesundheitsberufegesetz des Bundes: Dieses gilt seit Anfang 2020 und sieht vor, dass beispielsweise Pflegefachleute oder Physiotherapeuten eine Bewilligung benötigen, sofern sie «in eigener fachlicher Verantwortung» arbeiten – respektive wenn sie nicht unter der fachlichen Aufsicht eines Angehörigen desselben Berufes mit BAB tätig sind.
Es liegt an den Kantonen, das zu deuten – was einige Kantone sehr, andere weniger streng auslegen. Im Physiotherapie-Bereich fordert der Verband SwissODP inzwischen, dass das BAG nun Klarheit schafft und Willkür abschafft; ansonsten müsse die Sache wohl durch die Gerichte geklärt werden.
Der SBK Zürich/Glarus/Schaffhausen erachtet den Zürcher Weg als bürokratisches Projekt ohne qualitativen Mehrwert: «Pflegefachpersonen verfügen über eine qualifizierte Berufsausbildung und handeln nach bestem Wissen und eigenverantwortlich für ihre Kund:innen/Patient:innen», so des Statement vom Dienstag: «Beispielsweise verfügt jede Spitexorganisation über ein Fehlermeldesystem (CIRS), ein Hygiene- und Qualitätskonzept (QMS) sowie fachliche Supervision und/oder Support durch Pflegeexpert:innen. Komplexe Patientensituationen werden regelmässig im Fachteam reflektiert und auch mit den zuständigen Hausärzt:innen besprochen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Spitäler, Heime und Kliniken im Kanton Zürich.»

«Ein gewisser Pragmatismus»

Die Zürcher Behörden wiederum erklären den Schritt – wie erwähnt – mit den Anforderungen aus Bern. Als Vollzugsbehörde sei man gehalten, «gestützt auf das eidgenössische GesBG in allen Fällen einer fachlich eigenverantwortlichen Tätigkeit die Einhaltung der Bewilligungspflicht durchzusetzen».
Die Übergangsphase von fünf Jahren läuft nun aus – also müssten ab Februar 2025 «alle Pflegefachpersonen, die in fachlicher Eigenverantwortung tätig sind, über eine Berufsausübungsbewilligung verfügen».
Zur Frage, weshalb Zürich dabei weiter geht als andere Kantone, heisst es genereller: «Das Amt für Gesundheit legt grossen Wert auf Patientensicherheit und Patientenschutz. Aus diesem Grund setzen wir die eidgenössischen Vorgaben bei Spitex-Institutionen dahingehend um, dass eine Berufsausübungsbewilligung für sämtliche Pflegefachpersonen ab einem Arbeitspensum von 50% erforderlich ist. Der Kanton zeigt damit in der Umsetzung auch einen gewissen Pragmatismus, indem darauf verzichtet wird, von allen in Spitex-Institutionen tätigen Pflegefachpersonen unabhängig ihres Arbeitspensums eine Berufsausübungsbewilligung zu verlangen.»
Wesentlich bei der Frage der Bewilligungspflicht sei im übrigen die Frage, «ob Fallverantwortung übernommen wird und die Tätigkeit in fachlicher Eigenverantwortung ausgeübt wird.» Falls ja, so werde eine BAB nötig. Das gelte auch «für Pflegefachpersonen, die über einen Personalverleiher bei einer Spitex-Institution zum Einsatz kommen.»

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