Krankenversicherer prüfen USZ-Rechnungen genauer

Waren es 1000-fränkige Arztgespräche? Oder nur günstige Visiten? Die Krankenversicherer nehmen Rechnungen der Herzklinik am Zürcher Unispital unter die Lupe.

, 2. Dezember 2020 um 06:33
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Die Herzklinik des Universitätsspitals Zürich (USZ) setzt ihren privaten und halbprivaten Patienten öfters ein so genanntes «interdisziplinäres Arztgespräch» auf die Rechnung. Kostenpunkt: 600 bis 1000 Franken. 1760 solche Gespräche sollen laut «Tagesanzeiger» innerhalb von anderthalb Jahren stattgefunden haben.

Nur die üblichen Visiten?

«Wie hätten die Ärzte das leisten sollen?», fragte die Zeitung. Sie wirft einen schwerwiegenden Verdacht auf: Nämlich, dass in der Herzklinik die morgendlichen Visiten auf der Intensivstation, welche vom Institut für Anästhesie geleitet wird, als interdisziplinäre Arztgespräche verrechnet worden seien.
Dabei laufe auch ein Oberarzt der Herzchirurgie mit dem Schwarm von Ärzten von Bett zu Bett. Solche Visiten dauern rund zehn Minuten und dürften nur mit 70 bis 200 Franken verrechnet werden. Und nicht als interdisziplinäres Arztgespräch.

USZ räumt Unregelmässigkeiten ein

Tatsächlich räumt das USZ gegenüber dem «Tagesanzeiger» ein, dass es bei internen Kontrollen auf Unregelmässigkeiten bei der Abrechnung der interdisziplinären Arztgespräche gestossen sei. Zur Abklärung hat das Spital eine Anwaltskanzlei beauftragt.
Doch hätten die Krankenversicherer, welche ihren Privat- und Halbprivat-Versicherten solche Arztgespräche vergüten müssen, nicht schon lange auf solche falschen Abrechnungen stossen müssen, wenn das USZ tatsächlich in grossem Stil betrogen hätte?

«Wir müssen uns auf Rechnung verlassen»

Nicht unbedingt, sagen die Versicherer. «Als Krankenversicherer sind wir ja nicht anwesend, wenn unsere Versicherten ins Spital oder zum Arzt müssen. Das heisst, dass wir uns bei der Prüfung der Rechnungen auf die medizinischen Unterlagen und Berichte verlassen müssen, die uns das Spital oder der Arzt zur Verfügung stellt», sagt Astrid Brändlin, Sprecherin der Concordia-Versicherung gegenüber Medinside.
Im Normalfall finden interdisziplinäre Arztgespräche einmal pro Behandlung und nur in seltenen Fällen mehrmals statt. Das heisst: Auffällig wäre nur, wenn ein Spital täglich über einen längeren Zeitraum ein solches Gespräch abrechnet.

Persönliche Betreuung abgerechnet - aber nicht geleistet

Das war im USZ offenbar der Fall. Weshalb die Concordia und andere Krankenkassen nun genauer nachrechen. Der Umfang der falschen Abrechnungen kann im Moment noch nicht genau beziffert werden.
«Wir gehen jedoch davon aus, dass wiederholt Behandlungen ohne persönliche Betreuung durch von unseren Versicherten gewählte Kaderärzte abgerechnet wurden. Darum bleiben alle Honorare bis zur Klärung bestritten», sagt Astrid Brändlin – und fügt hinzu: «Dass Leistungen - insbesondere die persönliche Betreuung von Privatpatienten - verrechnet, aber nicht erbracht werden, ist auch für uns eine besondere Situation.»

Systematische Falschdeklarationen ist kaum aufzudecken

Die CSS - ebenfalls aufgeschreckt von den Hinweisen auf unrechtmässige Rechnungen des USZ – sagt, dass sie aufgrund von begründeten Verdachtsmomenten entsprechende Patientenakten eingefordert habe. Mit diesen detaillierten Akten könne sie nachprüfen, ob die in Rechnung gestellten Gespräche stattgefunden hätten. Solche Rechnungskontrollen könne die CSS aber nur in Einzelfällen machen. Systematische Falschdeklarationen zu erkennen sei fast unmöglich.
Zurückhaltender ist die Swica: Sprecherin Silvia Schnidrig sagt, dass bei langen Aufenthalten auch fünfstellige Beträge für interdisziplinäre Arztgespräche anfallen könnten. Auffällig wären nur tägliche Gespräche über eine lange Dauer.

Nur ein ganz kleiner Teil der Gesamtrechnung

Ob auch die Helsana von Unregelmässigkeiten im USZ betroffen sind, ist Gegenstand laufender Abklärungen – intern als auch gemeinsam mit dem USZ. «Die Rechnungen von komplexen Fällen können in die hunderttausende von Franken gehen», sagt Helsana-Sprecherin Dragana Glavic-Johansen. Interdisziplinäre Arztgespräche hätten an diesen Kosten «einen relativ marginalen Anteil», fügt sie hinzu.
Sie betont wie Astrid Brändlin von der Concordia: «Wir müssen den Spitälern vertrauen können, dass die abgerechneten Leistungen auch nach Treu und Glauben erbracht wurden.»

Concordia pocht auf klare Verträge

Betroffen von den allfälligen falschen Abrechnungen sind nur die halbprivaten und privaten Zusatzversicherungen. In der Grundversicherung sind interdisziplinäre Arztgespräche in der Regel mit der Fallpauschale abgegolten.
Hingegen gibt es in der Zusatzversicherung vertragliche Regelungen zur Vergütung einzelner Gespräche. Diese sind «in einem zweckmässigen Umfang versichert und müssen persönlich erbracht werden». Die Concordia löst gemäss ihren Angaben solche unscharfen Verträge wenn immer möglich durch klare pauschale Mehrleistungsverträge ab.
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