Was meinen schwerkranke Menschen, wenn sie sagen, dass sie sterben möchten? Diese Frage hat Heike Gudat Keller, leitende Ärztin am
Hospiz im Park in Arlesheim, in einer
Studie untersucht.
Für die Untersuchung «Sterbewünsche bei schwer kranken Menschen» wurden 30 Menschen mit unheilbaren Krankheiten, Pflegepersonen und Angehörige befragt. Das Fazit: Der Sterbewunsch hat viele Facetten und wurde von fast allen befragten Teilnehmern ambivalent wiedergegeben.
Patientenstimme
Patient will sterben, aber darf nicht beschleunigen: «Ich warte jetzt schon so lange auf den Tod. (...) Ich möchte nur noch hinüber schlafen. Sie weiss es zwar, aber für sie ist es wahnsinnig... Wenn ihre Liebe nicht so gross wäre, hätte ich keine Chemo gemacht.» Patient, 77 Jahre, Lungenkarzinom
Wunsch oder Wille?
Sterbewünsche bei schwer kranken Menschen haben meist einen komplexen Hintergrund. Die Aussage «Ich möchte nicht mehr leben» kann verschiedene Bedeutungen haben. «Dabei sollten Ärzte im Gespräch mit ihren Patienten den feinen, aber deutlichen Unterschied zwischen 'wünschen' und 'wollen' erkennen», so Gudat.
Mehr auf Bedürfnisse eingehen
Manche Patienten äussern einen Sterbewunsch, weil sie möchten, dass das Lebensende kommt. Ihr Leben verkürzen sie aber deshalb nicht zwangsläufig. Andere möchten, dass das Lebensende schneller kommt, sie möchten aber nichts dafür tun. Wieder andere haben die Absicht, ihr Leben zu verkürzen.
Dies seien allerdings die wenigsten, weiss Gudat aus Erfahrung. Die Praxis zeige, dass die Behandelnden zu wenig auf die Bedürfnisse derjenigen Patienten eingehen, die das Sterben wünschen, dieses aber nicht beschleunigen wollen.
Patientenstimme
Patientin will sterben und es beschleunigen: «Also ich bin eine Kämpfernatur. Ich habe wirklich gekämpft. Jetzt bin ich am Limit, jetzt mag ich einfach nicht mehr. Das [Stopp der Therapie] war für mich wie eine Erleichterung. Da habe ich den Entscheid gefällt, und es war gut. Das war Anfang des Jahres.» Patientin, 57 Jahre, Kieferkarzinom, Therapie gestoppt
Mehrere Wünsche
Die Studie zeigt: Kein Patient hatte nur einen Wunsch. Fast alle Teilnehmer hatten den Wunsch zu leben und gaben gleichzeitig an, sterben zu wollen, wenn auch erst in der Zukunft.
«Eine entscheidende Motivation, sich das Sterben zu wünschen, ist für Betroffene der Verlust ihrer Autonomie», sagt die Palliativmedizinerin. Ein Drittel der Patienten mit Sterbewunsch argumentiert mit dem Umstand, eine Last für Angehörige und Umgebung zu sein. Aber dieses Argument enthält auch eine lebensbejahende Komponente, weil es auf eine umsorgte und geliebte Person hinweist.
Hausärzte gefordert
Nach Ansicht von Gudat sollte vor allem die Hausarztmedizin gefördert werden. Hausärzte müssten einen sicheren Umgang mit der Betreuung von schwerkranken Menschen mit Sterbewunsch erlangen und Gespräche zur Sterbehilfe häufiger selber anregen.