Pflege: Ohne die Männer geht es nicht. Aber was geschieht?

Es ist zwar chic, mit aufwändigen Aktionen junge Frauen für technische Berufe zu gewinnen. Aber was passiert, um junge Männer für Pflegeberufe zu begeistern? Wenig. Zu den Ursachen eines Kernproblems.

, 18. Oktober 2017 um 06:22
image
Etwas fehlt in diesem Bild: Abschlussfeier mit erfolgreichen Absolventinnen in Pflege und Operationstechnik | Bild: Kt. Aargau 
Wissen Sie, wieviele Pflegestellen in der Schweiz derzeit offen sind? Gegen 4'000. Natürlich finden sich darunter auch viele normale Fluktuations-Lücken. Aber es ist klar, dass die Pflege ein fundamentales Personalproblem hat und dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren massiv verschärfen wird.
Also wird viel darüber geredet, was zu tun wäre. Doch keiner redet über das, was man auf Englisch «the Elefant in the middle of the room» nennt. Also über das eigentliche Thema.

Wir machen es den Männern schwer

Der Elefant, das sind die Männer. Das eigentliche Thema ist, dass eine grosse Berufsgruppe, die sich fast vollständig aus der weiblichen Hälfte der Bevölkerung rekrutieren muss, zwangsläufig kaum Chancen hat, eine stark wachsende Nachfrage zu decken.
Kurz: Solange der Frauenanteil in den Pflegeberufen bei etwa 15 Prozent bleibt, können alle anderen Massnahmen gegen die Personalnot nur oberflächlich sein.
Das Problem ist nun, dass es unsere ach so moderne Gesellschaft den Männern auch schwer macht, hier offene Türen zu finden. In England ergab soeben eine Befragung junger Pfleger, dass sie sich als exponierter empfinden, genauer beobachtet werden, kritischer beäugt sind. Auch fand eine Mehrheit, dass sie sich entspannter fühlen würden, wenn sie mehr männliche Kollegen an der Seite hätten.
Kurz: Ein Mann, der die Pflege wählt, braucht selbst 2017 noch Courage.

Hier der Pflegefachmann, da die Bauingenieurin

Das führt zu einer weiteren Einsicht (die auch durch Studien bestätigt ist): Es ist nicht nur so, dass Frauen in der Berufswelt oft benachteiligt werden; sondern es je nachdem werden auch Männer gehemmt. Das tiefere Problem ist nämlich, dass wir nicht so sehr Menschen mit Vorurteilen beladen, sondern Berufe und Stellen. Und wenn eine Person nicht nicht ins Schema dieser Vorurteilte passt, wird ihr das Leben erschwert. Das gilt für Fussballschiedsrichterinnen oder Top-Managerinnen. Aber es gilt aber eben auch für Pädiatrie-Pfleger.
Die britische Umfrage sagte auch aus, dass diese jungen Männer öfter offen gefragt wurden, ob sie homosexuell seien. Und interessanterweise wurden sie regelmässig mit der Frage konfrontiert, weshalb sie denn nicht Medizin studierten – eine Frage, die Pflegerinnen bekanntlich kaum je gestellt wird.
Wenn also der Pflege-Personalnotstand jemals gelöst werden soll, müssen wir erst den alten Gordischen Knoten der Vorurteile durchschneiden. Doch wie?
Antwort: Schritt für Schritt. Eine naheliegende Lösung zeigten unlängst englische Spitäler und «Nursing Schools». Sie starteten unlängst die Aktion #MenDoCare
Dazu gehörten beispielsweise Veranstaltungen, die sich an Jugendliche richteten, und wo (männliche) Pflegeprofis aus ihrer Berufswelt berichteten. Kommt ihnen die Idee bekannt vor? Klar: Wir kennen sie zur Genüge aus dem Ingenieurs- oder IT-Bereich. Dort richten sich die Veranstaltungen einfach an junge Frauen.
In einem Fachbeitrag dazu legte übrigens Jacqueline Eccles, eine Pflege-Dozentin der Unversity Dundee, ein verblüffendes Argument vor, um die Attraktivität des Pflegebereichs für Männer zu betonen: Ausgerechnet dort würden männliche Profis nämlich rascher befördert als Frauen. Das sei doch – meinte sie mit ironischem Ton – wenigstens ein Punkt, der aus Sicht der Männer für die Pflege spricht.


Artikel teilen
  • Share
  • Tweet
  • Linkedin
  • Whatsapp
  • Telegram
Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Was ist Ihr Beruf?

Wo arbeiten Sie?*

undefined
undefined

*Diese Angaben sind freiwillig. Sie bleiben im Übrigen anonym.
Warum bitten wir Sie darum? Medinside bietet Ihnen die Informationen und Beiträge kostenlos. Das bedeutet, dass wir auf Werbung angewiesen sind. Umgekehrt bedeutet es idealerweise auch, dass Ihnen auf Medinside möglichst nur Werbung gezeigt wird, die zu Ihnen passt und die Sie interessant finden könnten.
Wenn wir durch solche Erhebungen Angaben über das allgemeine Profil des Medinside-Publikums gewinnen, nützt dies allen: Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, uns und unseren Kunden. Vielen Dank!


Mehr zum Thema

image

Swiss Nurse Leaders: Wechsel im Vorstand

Hans-Peter Wyss vom Spital Menziken folgt auf Ursi Rieder.

image

St. Gallen: 128 Millionen für die Pflege-Ausbildung

Die Bevölkerung stimmte sehr klar für ein Massnahmen-Paket zur Verbesserung der Lage im Pflegebereich.

image

Simulieren schafft Bewusstsein für die Pflege-Realität

Diese Zahl alarmiert: 40 Prozent der Pflegefachpersonen steigen in den ersten Berufsjahren aus. Am Swiss Center for Design and Health (SCDH) in Nidau bei Biel/Bienne können Entscheidungsträger:innen vorbeugen, indem sie unter Einbezug der Nutzenden im Massstab 1:1 bedürfnisgerecht planen.

image

Arbeitszeit-Modelle: Erfolgsmeldung aus Bülach

Wer mehr Nachtschichten leistet und flexibel einspringt, wird honoriert: Die Idee des Spitals Bülach rechnet sich offenbar – in mehrerlei Hinsicht.

image

«Wir verzichten auf unnötige Dokumente wie Motivationsschreiben»

Die Spitex Region Schwyz hat so viele Job-Interessierte, dass sie Wartelisten führen muss und darf. Wie schafft man das? Die Antworten von Geschäftsführer Samuel Bissig-Scheiber.

image

Pflegeversicherung in Deutschland steckt tief in roten Zahlen

Nicht nur in der Schweiz sind die steigenden Pflegekosten ein brisantes Thema. In Deutschland muss die Pflegeversicherung gerettet werden.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.