Man erinnert sich: Um die 10'000 Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten strömten Mitte November
in Bern zur Demonstration; dabei reichten sie auch eine Petition mit 280'000 Unterschriften ein. Sie protestierten gegen den geplanten Tarifeingriff des Bundesrats, der laut ihrem Verband Physioswiss zu einer Einkommenseinbusse führen würde.
Damit war es nicht getan: Parallel dazu lancierten Parlamentarier Motionen und Interpellationen, um ebenfalls Druck auszuüben. Dazu gehörte unter anderem Franziska Roth, damals noch Nationalrätin, inzwischen Ständerätin. Die SP-Politikerin aus dem Kanton Solothurn vertritt die Auffassung, dass der Regierungs-Eingriff in die Tarifstruktur der Physiotherapie widerrechtlich sei.
Verstoss gegen das KVG
Konkret wollte Franziska Roth vom Bundesrat geprüft haben, dass das Bundesamt für Gesundheit die Versicherungsverbände genügend auf ihre gesetzliche Pflicht hingewiesen habe, Tarifverhandlungen zu führen.
«Die Absichtserklärung blockieren, um nicht in die Verhandlungen eintreten zu müssen, verstösst gegen das KVG», schrieb die Volksvertreterin in ihrer Begründung zur Interpellation. Die Versicherungsverbände seien aber verpflichtet, Tarifstrukturverhandlungen aufzunehmen.
Kein Ergebnis
«Ja», antwortet der Bundesrat in seiner soeben veröffentlichten Stellungnahme. In zahlreichen Schreiben und Sitzungen seien die Tarifpartner «mit Nachdruck» dazu aufgefordert worden, ihre Tarifverhandlungspflicht wahrzunehmen und sich auf eine revidierte, KVG-konforme Tarifstruktur für physiotherapeutische Leistungen zu einigen.
Doch den Tarifpartnern sei es bisher nicht gelungen, dieser Aufforderung nachzukommen, so der Bundesrat: «Das Vertragsprinzip hat demnach zu keinem Ergebnis geführt.»
«Nicht problematisch»
Im weiteren widersprach der Bundesrat der Roths Einschätzung, dass sein Tarifeingriff problematisch sei. Denn: «Beim Vorschlag des Bundesrats zur Festlegung der Tarifstruktur handelt es sich explizit um eine Übergangslösung».
Allerdings: Angesichts der mangelnden Verhandlungsbereitschaft namentlich seitens der Krankenkassenverbände kann man sich durchaus fragen, ob die Tarifpartnerschaft überhaupt gemäss den gesetzlichen Vorgaben funktioniert. Genau diese Frage wollte eine andere SP-Nationalrätin aus dem Kanton Solothurn wissen – die eben gewählte Farah Rumy; sie rutschte im November für Ständerätin Roth in den Nationalrat nach.
«Mehr schlecht als recht»
«Die Tarifpartnerschaft im Gesundheitswesen funktioniert mehr schlecht als recht», schreibt die diplomierte Pflegefachfrau in ihrer
Interpellation, die der Bundesrat ebenfalls diese Woche beantwortete.
Laut Rumy sei es für die Versicherungsverbände vorteilhafter, Verhandlungen nicht aufzunehmen, zu verzögern oder scheitern zu lassen.
«Sollen sie sich einzig für tiefere Prämien oder auch für eine gute Versorgung zu betriebswirtschaftlich korrekten Tarifen einsetzen?»: Dies wollte sie vom Bundesrat wissen.
Qualitativ und günstig
In ihrer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme verweist die Landesregierung aufs KVG, wonach die Tarifpartner «auf eine betriebswirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Struktur der Tarife achten» müssen. Sie müssten aber weiter berücksichtigen, dass eine qualitativ hochstehende Versorgung zu möglichst günstigen Kosten erreicht werde.
Was im Gesetz steht, ist das eine. Ob sich alle Tarifpartner daranhalten, ist womöglich etwas anderes.
Doch der Bundesrat erklärt weiter, dass er bereits heute die Möglichkeit habe, Tarifstrukturen im ambulanten Bereich subsidiär anzupassen, sollten sie sich nicht mehr als sachgerecht erweisen.
Und dann verweist der Bundesrat auch noch auf die einheitliche Finanzierung ambulant und stationär (Efas), die in der zurückliegenden Wintersession von den Räten beschlossen wurde. Dies reduziere den Anreiz, sich bei der Tarifgestaltung für bestimmte Leistungen durch verzerrende finanzielle Sonderinteressen leiten zu lassen.