Was tun Bund und Kantone für anforderungsgerechte Löhne im Gesundheitssystem? Das wollte die Ständerätin Maya Graf vom Bundesrat wissen.
Je grösser der Fachkräftemangel, desto grösser das zu erwartende Lohnwachstum. Dies zumindest würden alle behaupten, die an die Gesetzmässigkeiten von Angebot und Nachfrage glauben. Wenn die Nachfrage nach Gesundheitsfachleuten grösser ist als das Angebot an Fachkräften, so müssten die Löhne laut Lehrbuch nach oben angepasst werden.
Markt spielt nicht
Nun scheint es eben gerade im Gesundheitswesen andersherum zu laufen. Das ist auch
Maya Graf aufgefallen, Ständerätin der Grünen aus Basel-Landschaft. In einer
Interpellation wollte sie vom Bundesrat eine Erklärung dafür, weshalb die Realöhne bei der öffentlichen Verwaltung seit 2011 um 7,6 Prozent gestiegen sind – im Gesundheitswesen indessen nur um 5,5 Prozent. Dabei erledigten doch die Personen im Gesundheitsweisen auch einen öffentlichen Auftrag.
In seiner Stellungnahme vom 22. November 2023 bestätigt der Bundesrat im Wesentlichen die unterschiedliche Lohnentwicklung. Gemäss dem Bundesamt für Statistik lag der Reallohnindex 2022 für die öffentliche Verwaltung um 5,1 Prozent und im Gesundheits- und Sozialwesen um 4,1 Prozent über dem Basiswert von 2010. Und in der Gesamtwirtschaft stiegen die Reallöhne in der gleichen Vergleichsperiode gar um 5,6 Prozent.
Doch laut dem Bundesrat hängt die Lohnentwicklung nach Branchen von zahlreichen Faktoren ab, die sich im Einzelnen nicht präzise bestimmen liessen. Dies gelte insbesondere auch für die erwähnte Differenz von einem Prozentpunkt zwischen der öffentlichen Verwaltung und dem Gesundheits- und Sozialwesen im Zeitraum 2010 bis 2022.
Keine Kompetenz
Und dann schreibt der Bundesrat in seiner Stellungnahme, was er meistens schreibt bei Anfragen zum Gesundheitswesen: «Der Bund hat keine Kompetenz, die Entlöhnung im Bereich der Pflege zu regeln.» Die Entschädigung der stationären Spitalbehandlungen nach KVG würden von den Tarifpartnern festgelegt.
Auf die Frage der Interpellantin, ob der Bundesrat bereit sei, eine koordinierte Rolle zu übernehmen, verweist er auf das Projekt «Nationale Gesundheitspolitik», das 1998 von Bund und Kantonen lanciert wurde und heute «Dialog Nationale Gesundheitspolitik» heisst. Hier geht es darum, die Herausforderungen des Gesundheitswesens gemeinsam und koordiniert anzugehen.
Dialog Gesundheitswesen
So hat der «Dialog Nationale Gesundheitspolitik» im Juni 2023 beschlossen, ab Mitte 2024 das Nationale Monitoring Pflegepersonal zu implementieren. «Mit diesem Monitoring werden Bund, Kantone und Arbeitgeber über ein Steuerinstrument verfügen, das die Situation und die Entwicklung in den verschiedenen Pflegebereiche aufzeigt».
Kurz: Der Bundesrat kann nichts dafür, dass die Löhne im Gesundheitsbereich unterdurchschnittlich steigen. Deshalb kennt er auch die Gründe der Lohndiskrepanz nicht.
Maya Graf scheint den Grund jedoch zu kennen: «Im Gesundheits- und Sozialwesen erwarten die Firmen trotz ausgeprägten Fachkräftemangels kein überdurchschnittliches Lohnwachstum», schreibt sie in der Begründung ihrer Interpellation. «Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass in diesen Bereichen eine höhere Vergütung der Leistungen schwer durchsetzbar ist.»