Wettbewerb unter den Spitälern? Die Rechnung ging nicht auf

Akutspitäler, die für eine Region zuständig sind, brauchen mindestens 12'000 bis 15'000 Austritte, um sich langfristig zu behaupten.

Gastbeitrag von Thomas Straubhaar, 19. August 2023 um 04:34
letzte Aktualisierung: 2. April 2024 um 07:18
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Thomas Straubhaar: «Wir benötigen Betten für Patienten, die zwar aus medizinischer Sicht nicht spitalbedürftig sind, aber dennoch nicht nach Hause entlassen werden können.» | zvg
In der Zeitrechnung vor DRG bezeichnete man die Spitäler gerne als «Subventionsempfänger», was viele Verantwortliche störte. Der Ausdruck impliziert, dass Spitäler nur die hohle Hand hinzuhalten bräuchten, um ihrer Kosten zu decken. Effizienz war nicht gefragt, so die Meinung vieler.
Richtig war jedoch, dass die Spitäler als Institution finanziert wurden und deshalb nur indirekt die erbrachten Leistungen.
Mit der neuen Spitalfinanzierung änderte der Gesetzgeber die Finanzierung grundlegend. «Subjektfinanzierung» war das grosse Zauberwort, wonach nur noch erbrachte Leistungen – nach der DRG-Systematik – durch Krankversicherer und Wohnkantone abgegolten werden.
Thomas Straubhaar ist VR-Präsident des Spitals Bülach und des Kantonsspital Obwalden.
Der Gesetzgeber erhoffte sich dadurch eine Wettbewerbssituation unter den Spitälern, die zu einer Redimensionierung der Spitallandschaft Schweiz führen würde. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen, weil nach wie vor etliche Kantone ihre Spitäler mit gemeinwirtschaftlichen Leistungen unterstützen – teils mit fragwürdigen Begründungen.
Nach meinen Erfahrungen benötigen Akutspitäler, die als Grundversorgung für eine Region zuständig sind, mindestens zwölf- bis fünfzehntausend Austritte, um mit einer Ebitda-Marge von 8 bis 10 Prozent sich langfristig als Spital zu behaupten. Spitäler mit weniger Austritten werden immer eine Unterstützung Dritter benötigen – sprich von Kantonen oder Gemeinden.

«Der Gesetzgeber erhoffte sich eine Wettbewerbssituation unter den Spitälern. Doch die Rechnung ist nicht aufgegangen.»

Sofern sich die Kantone diese zusätzlichen Kosten leisten wollen und können und sich die Spitäler auf die Grundversorgung beschränken, macht diese Versorgungstruktur auch Sinn. Sie dient der guten, wohnortsnahen Versorgung der Bevölkerung.
Sowohl in städtischen wie in ländlichen Gegenden benötigen wir Betten für Patientinnen und Patienten, die zwar aus medizinischer Sicht nicht spitalbedürftig sind, aber dennoch aus verschiedenen Gründen nicht nach Hause entlassen werden können.
Für diese Patienten benötigen wir kostengünstige Versorgungsstrukturen, wie sie kleine Spitäler anbieten können. Dieses Angebot sollte den Kantonen auch etwas Wert sein.

«Der Ruf nach staatlichen Interventionen und zusätzlichen finanziellen Abgeltungen ist falsch – abgesehen von einem Ausgleich der Teuerung.»

Grössere Spitäler mit einem entsprechendem Case Mix können auch erfolgreich sein mit dem heutigen Finanzierungssystem: durch geschicktes Management, mit einem angepassten medizinischen Angebot und – heute und in Zukunft besonders wichtig – mit einem gutem Personalmanagement, das auf die Bedürfnisse der jüngeren Generation eingeht.
Trotz den grossen bürokratischen Hürden von Seiten der Kantone und vor allem des Bundes bestehen noch Handlungsfreiheiten für die Spitäler. Wir müssen sie nur nutzen – wir sind verantwortlich für die Unternehmen, nicht der Staat. Deshalb ist der Ruf nach staatlichen Interventionen und zusätzlichen finanziellen Abgeltungen falsch – abgesehen von einem Ausgleich der Teuerung.
Es gilt aber, unsere Strukturen und Prozesse zu hinterfragen, alte Gewohnheiten, die nicht mehr in die heutige Zeit passen über Bord zu werfen und uns den Bedürfnissen der Patienten anzupassen. Und wahrscheinlich müssen die Spitäler lernen, den Patienten bewusst zu machen, dass gewisse Leistungen nicht mehr angeboten werden können, ausser sie werden separat abgegolten.

«Wollen wir eine gute, finanzierbare Gesundheitsversorgung beibehalten, müssen wir vom heutigen sehr hohen Anspruchsniveau Abstriche machen.»

Mir ist bewusst, dass Massnahmen wie Leistungsreduktionen unpopulär sind. Wollen wir eine gute, finanzierbare Gesundheitsversorgung beibehalten, müssen wir vom heutigen sehr hohen Anspruchsniveau Abstriche machen. Den Patientinnen und Patienten müssen wir diese Botschaft überbringen: Keine leichte Aufgabe, aber nötig für eine gesicherte Gesundheitsversorgung in nahen der Zukunft.
Und die Spitäler müssen sich endlich als Unternehmen ersehen, die mit den bestehenden Rahmenbedingungen (wie sie andere Unternehmen auch haben!) erfolgreich arbeiten, um sich langfristig die nötigen Mittel für die notwendigen Investitionen erarbeiten zu können.
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