«Herr Flury, warum braucht es The Swiss Leading Hospitals?»

«Qualitätssicherung kommt vor Kommunikation», sagt der Psychiater Hanspeter Flury, der neue Präsident von Swiss Leading Hospitals.

, 11. September 2022 um 22:13
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SLH-Präsident Hanspeter Flury: «Unser Label sagt, dass wir bei hoher medizinischer Qualität die Hotellerie im Vergleich zu anderen Spitälern höher gewichten.» | Bild: cch
Herr Flury, warum braucht es den Verein The Swiss Leading Hospitals?
Unsere Mitglieder stellen medizinische Qualität und die ganze Dienstleistungs- und Aufenthaltsqualität an oberste Stelle. Unser Ziel besteht darin, unsere Mitglieder darin zu unterstützen. Das wirkt zudem vertrauensbildend für unsere Patienten. Die hohe Qualität ist ein Argument, weshalb man eher eine unserer Kliniken aufsucht.
Korrigieren Sie mich: Patientinnen suchen ihre Kliniken auf, weil sie die Klinik kennen und nicht, weil die betreffende Klinik Mitglied der SLH ist.
The Swiss Leading Hospitals ist nicht ein Label, das so durchdringt, wie das bei anderen Labels der Fall ist. Wir wollen nicht nur gegen aussen ein zusätzliches Signet sein, wir wollen vor allem ein Dienstleister sein für unsere Mitglieder. Oder man kann es auch so sagen: Patienten wollen in eine bestimmte Klinik, weil dort die Qualität besonders hoch ist. Und diese ist bei SLH-Kliniken hoch, weil auch tatsächlich viel in Qualität investiert werden muss und investiert wird.
Kann man also sagen: Qualitätssicherung kommt vor Kommunikation?
Ja, absolut. Was ich auch noch sagen wollte: Sehr wertvoll sind auch die von unabhängiger Stelle durchgeführten Patienten- und Zuweiserbefragungen. Sie erlauben einen echten Benchmark. SLH ist ausserdem ein Netzwerk, das den Austausch unter den Mitgliedern und die gemeinsame Interessensvertretung fördern soll, was über die reine Qualität hinausgeht. Aber die Qualität ist ganz klar das Herzstück.
Mir scheint, punkto Vermarktung des Labels gäbe es noch Luft nach oben.
Tatsächlich haben wir, was die Vermarktung des Labels anbelangt, noch Verbesserungspotenzial. Wir sind auch diesbezüglich seit zirka zwei Jahren dran und haben verschiedene Offensiven, zum Beispiel im digitalen Bereich lanciert, darunter einen neuen Web-Auftritt und Social Media-Aktivitäten, bei denen wir auch den SLH-Netzwerk-Power nutzen konnten.
Vor fünf Jahren sagte Ihr Vorgänger Raymond Loretan hier in einem Interview: Es genüge nicht, am Spitaleingang eine Plakette anzubringen. Man müsse den Mehrwert des SLH-Labels gegenüber Patienten, Versicherern und auch Ärzten bekannt machen. Von einer Offensivstrategie haben wir aber nichts gemerkt.
Bei Ärzten, Spitälern und Versicherern ist SLH gut etabliert, aber bei den Patientinnen und Patienten sind wir tatsächlich nicht flächendeckend bekannt. SLH hat in den letzten fünf Jahren viel in ein neues Qualitätskonzept investiert und sich dabei auf die Etablierung der SLH-Qualitätsstandards in den Kliniken konzentriert. Dies ist substanziell und nachhaltig und eben weit mehr als eine Plakette am Eingang. Und man muss auch halten, was man verspricht. Wenn eine Plakette am Eingang steht, darf der Patient auch die entsprechende Qualität erwarten.
Wie gehen Sie vor?
Wir haben zum Thema Qualität Arbeitsgruppen gebildet, die sich regelmässig treffen. Dort können sich die Q-Verantwortlichen nach Best-practice austauschen. Auch zum Thema Zusatzversicherungen, die bekanntlich unter Druck sind, haben wir eine Arbeitsgruppe, die nach Lösungen sucht.
Die Privatspitäler gründeten Swiss Leading Hospitals, um sich im Markt als USP zu positionieren. Das war doch der ursprüngliche Zweck. Mit der Aufnahme von Gruppenspitälern wurde der erste Grundsatz schon mal aufgeweicht. Jetzt können sogar öffentliche Spitäler Mitglied werden. Präsidieren Sie einen Gemischtwarenladen?
Seit der Gründung von SLH hat sich die Spitallandschaft verändert. Viele öffentliche Spitäler agieren selbstständig und sind rechtlich private Aktiengesellschaften. Und einige der Privatkliniken sind von Spitalgruppen integriert worden.
Gerade weil sich die Landschaft verändert hat, muss man sich fragen: Braucht es SLH noch?
Nicht, wenn man sie in der alten Form halten würde. Aber weil wir den Schwerpunkt auf Qualität legen - und zwar auf die medizinische Qualität wie auch auf die Aufenthaltsqualität, sind wir nicht eine beliebige Gruppierung
Gerade dieser Eindruck der Beliebigkeit besteht. Jede Klinik kann Mitglied werden, wenn sie pro Jahr 10'000 Franken bezahlt. Selbst öffentliche Spitäler.
Eben gerade nicht. Sie müssen hohe Qualitätsstandards erfüllen. Sie müssen sich bewerben, dann macht ein SLH-Vorstandmitglied eine Vor-Ort-Visite, und schliesslich überprüft die Zertifizierungsgesellschaft SQS, ob das betreffende Spital unseren Qualitätsanforderungen zu genügen vermag.
Kommt es vor, dass beitrittswillige Spitäler abgewiesen werden?
Ja, selbstverständlich.
Sie sprechen von hoher Qualität; sie sprechen von hohem Anteil an Privatpatienten - und doch sind die Kliniken von Hirslanden nicht dabei. Ist das zu begrüssen oder zu bedauern?
Es hat Vor- und Nachteile. Bei Hirslanden weiss man, dass sie viele Privatversicherte haben. Es ist gut, wenn von verschiedenen Seiten private Anbieter da sind. Und ich finde es gut, dass man nicht einfach sagt: Privat gleich Hirslanden. Alleinstehende Privatspitäler haben ein eigenes Profil, und sie haben eine gute Tradition.
Sie sagten, die Spitallandschaft habe sich verändert. Das betrifft ja auch die Zertifizierungen. Mittlerweile wird fast alles zertifiziert, von Brustzentren bis zu Palliativabteilungen. Auch die Kantone verlangen mehr und mehr Qualitätsstandards. Wie will sich SLH in diesem Wildwuchs von Zertifizierungen und Qualitätsstandards positionieren?
Unser Label sagt, dass wir bei hoher medizinischer Qualität die Hotellerie im Vergleich zu anderen Spitälern höher gewichten.
Ihre Mitglieder haben also im Schnitt einen überdurchschnittlichen Anteil an Privatpatienten?
Ja, das kann man so sagen.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Sie führen die den Schützen Rheinfelden, eine Klinik für Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie, und sind seit November Präsident der SLH. Sind Sie noch als Psychiater tätig?
Meinen Sie im engeren Sinn oder im weiteren Sinn?
In beidem.
Im engeren Sinn, in der direkten psychotherapeutischen Behandlung von Patientinnen und Patienten, sind es vier bis acht Stunden pro Woche. Doch den grössten Teil meiner Arbeitszeit bin ich Psychiater im weiteren Sinn. Nämlich dann, wenn ich als Chefarzt mit den Behandlungsteams Fallbesprechungen leite. Das mache ich in jeder Abteilung meiner Klinik. Dann rede ich zwar nicht direkt mit der Patientin oder dem Patienten, stelle aber die Qualität der Behandlung aus psychiatrisch, psychotherapeutischer und psychosomatischer Sicht ins Zentrum. Dies auch im Engagement für Weiter- und Fortbildung. Wenn ich bei der Erarbeitung von Behandlungs-Konzepten mitwirke, könnte man das als administrative Arbeit bezeichnen. Inhaltlich ist es jedoch fachliche Arbeit, weil dies einen entsprechenden Background verlangt. Wenn ich beim Budgetieren über Investitionen mitentscheiden muss, überlege ich mir, wem diese zugutekommen. Dies ist dann davon geprägt, dass ich eine Fachperson bin, die bessere Behandlungen für Patienten anstrebt. Und mein Hintergrund hilft mir auch bei meinen Aufgaben in Kommunikation, Personalführung und -entwicklung. Allerdings bin ich auch froh um vieles, was ich an der HSG beim Nachdiplomstudium zum Executive MBA gelernt habe.
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