Der italienische Präsident Sergio Mattarella hat bei seinem derzeitigen Besuch in Bern ein dringendesThema zu besprechen: die neue Besteuerung der Grenzgänger, der so genannten «Frontalieri». Sie sollen künftig sowohl eine Quellensteuer in der Schweiz als auch eine reguläre Einkommenssteuer in Italien entrichten. Bisher mussten sie in Italien gar keine Steuern zahlen.
Einkommen: Hoch und steuerfrei
Das machte es bisher für italienisches Pflege- und Ärztepersonal besonders attraktiv, in der Schweiz zu arbeiten. Und umgekehrt war es für Schweizer Spitäler und Heime bisher einfacher, neues Personal in Italien zu gewinnen.
Kürzlich
wurde sogar bekannt, dass das Kantonsspital Aarau (KSA) extra nach Italien reist, um vor Ort zehn Pflegefachpersonen zu rekrutieren.
Journalist frohlockte über «Jagd»
Auch das italienische Gesundheitsmagazin «Nurse24» machte diese Woche Werbung für Anstellungen in Schweizer Spitälern und privaten Pflegeheimen. Die Schweiz habe so grossen Mangel an Pflegepersonal, dass es regelrecht eine «Jagd nach italienischen Krankenschwestern» gebe, frohlockte der Journalist.
Die Löhne im Italienischen Gesundheitswesen sind so tief, dass die italienische Krankenpflege-Gewerkschaft Nursing Up offiziell dazu aufruft, sich eine Stelle in der Schweiz zu suchen. Italienisches Pflegepersonal dürfe «grossartige Perspektiven und Einstiegsgehälter bis 2300 Euro pro Monat» erwarten, erklärt der der Präsident Antonio De Palma.
Anleitung zur Arbeitssuche in der Schweiz
Italien habe den «wenig beneidenswerten Rekord eines der absolut niedrigsten Gehälter» in diesem Bereich. Und weiter: Die Arbeitssuche im Ausland sei kein schwieriges Unterfangen. Eine medizinische Fachkraft, die sich bei einer Schweizer Einrichtung bewerben möchte, müsse lediglich für rund 500 Euro die Gleichwertigkeit ihrer Qualifikation beim Schweizerischen Roten Kreuz beantragen.
Wie abhängig die Schweiz von ausländischem Gesundheitspersonal ist, zeigt
diese Statistik, die Medinside während der Corona-Pandemie veröffentlicht hat. Sie zeigt, dass rund die Hälfte des Pflegepersonals im Tessin aus dem Ausland kommt. Beim ärztlichen Personal sind es 44 Prozent.
Mit neuen Steuern weniger verlockend
Das neue Grenzgängerabkommen mit Italien könnte nun aber doch einigen italienischen Pflegefachpersonen die Arbeit in Schweizer Spitälern und Heimen etwas weniger verlockend erscheinen lassen. Denn sie müssen dann einiges mehr Steuern entrichten für den höheren Lohn, den sie in der Schweiz erhalten.
Das Schweizer Parlament hiess das Abkommen im vergangenen März gut. Gestern hat Bundesrat Ignazio Cassis den italienischen Präsidenten daran erinnert, dass nun auch das italienische Parlament dem Abkommen zustimmen sollte.
Schweiz will kein Steuerparadies mehr sein
Dass die Schweiz noch immer auf der schwarzen Liste Italiens zu den Steuerparadiesen steht, bezeichnete Cassis als «unnötiges Ärgernis». Es sei insbesondere auf symbolischer Ebene wichtig, dass die Schweiz von der Liste verschwinde, erklärte der Bundespräsident.