«Auf Papier gibt es zwar fixe Weiterbildungszeiten, doch das ist nur pro forma», kritisiert ein junger Assistenzarzt in der Zeitschrift
«Saldo». Meist sei er in dieser Zeit im regulären Schichtdienst eingeplant, habe Sprechstunde oder sei im Operationssaal.
So dürfte es der Mehrheit der Assistenzärztinnen und -ärzte in der Schweiz gehen. Eine Umfrage von 2023 zeigte, dass nur rund 20 Prozent von ihnen wie vorgeschrieben auf vier Stunden Weiterbildung pro Woche kommen.
Das hat Folgen. Ein Assistenzarzt gesteht gegenüber «Saldo» sogar: «Oft habe ich Angst, nicht auf dem neusten Stand zu sein. Es kam schon zu gefährlichen Situationen für Patienten, weil ich überfordert war.»
Weil es die Kollegen auch akzeptieren
Viele Betroffene nehmen es hin, dass sie die Weiterbildung nur phasenweise oder gar nicht absolvieren können. Denn sie würden es gar nicht schaffen, die vier Stunden neben ihrer Arbeit auch noch aufzubringen. Oft akzeptieren es auch die Kollegen und Kolleginnen, dass es nicht reicht für die Weiterbildung. Oder sie merken, dass es die Chefin oder Chef nicht gerne sieht, wenn man auf der Weiterbildungszeit beharrt.
Erst kürzlich hat die Berner Sektion des Vereins der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO) deshalb wieder einmal darauf hingewiesen, dass die Weiterbildung
vertraglich garantiert sei.
Wichtig ist auch: Sie muss von der Arbeitsstätte zwingend während der normalen Arbeitszeit angeboten werden. «Es muss gewährleistet sein, dass die Assistenzärztinnen und -ärzte die Weiterbildung neben ihrer klinischen Tätigkeit wahrnehmen können, ohne dass dadurch Überstunden entstehen», sieht beispielsweise der GAV im Kanton Bern vor.
Generell und ohne Ausrede
Der Verband ist sich bewusst, dass die Spitäler oft Ausreden bringen, wenn sie zu wenig Zeit für die Weiterbildung zur Verfügung stellen. Deshalb erwähnt er ausdrücklich: «Der Anspruch auf Weiterbildung gilt generell, auch in Zeiten einer Umstrukturierung am Arbeitsplatz oder Einführung einer neuen Software.»
Dass heute ein viel zu grosser Teil der Arbeitszeit mit administrativen Tätigkeiten verbracht wird, ist
dem VSAO ein Dorn im Auge.
Die Spitäler in der Deutschschweiz erhalten von den Kantonen pro Jahr 130 Millionen für die Weiterbildung. Der Spitalverband Hplus und verschiedene grosse Spitäler sagen jedoch, dass diese Beiträge nicht reichen würden.
Uster ist Vorzeigebeispiel
Einige Kantone haben deshalb ihre Beiträge erhöht oder wollen das noch tun. Und nun reagieren auch die Spitäler. Seit August 2024 hat das Spital Uster für Assistenzärzte in der Chirurgie das
Modell der 42+4-Stunden-Woche. Damit geht die chirurgische Klinik in Uster als Vorzeigebeispiel voran, dass auch in der Chirurgie das 42+4h-Modell umsetzbar ist.
Eigentlich müsste das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung eingreifen, wenn die Qualität der Weiterbildung in einem Spital nicht stimmt. Doch das Institut scheut davor zurück, einem Spital die Ausbildungserlaubnis zu entziehen. Denn dann würden die Weiterbildungsstellen ganz wegfallen.