Es ging plötzlich ziemlich schnell, bis das Zürcher Universitätsspital (USZ) einen neuen Direktor der Klinik für Herzchirurgie bestimmt hat: Vor etwas mehr als zwei Monaten
wurde bekannt, dass Omer Dzemali, derzeit noch Chefarzt Klinik für Herzchirurgie am Stadtspital Zürich, den Posten erhält. Das für Herbst geplante längere Auswahlverfahren unter den Kandidaten wurde gestrichen.
Wechsel schon in drei Wochen
Der 52-Jährige tritt seine Stelle bereits in drei Wochen an. Im Rahmen der Herzallianz ist er schon seit 2016 am USZ tätig. Er wird Nachfolger von Paul Vogt.
Für Thierry Carrel ist nun kein Platz mehr am USZ. Wie die Tamedia-Zeitungen melden, soll der ehemalige Star-Chirurg eine Vereinbarung unterzeichnen, wonach er bereits in drei Wochen seine Funktionen aufgeben soll. Carrel hat dies zwar nicht selber bestätigt, doch «laut Insidern» habe er die Vereinbarung bisher nicht unterschrieben.
Carrel sei auch nicht der Einzige, der am USZ nicht mehr genehm sei. Erstaunt ist man in Fachkreisen offenbar auch über die überstürzte Wahl von Omer Dzemali.
Im Gegensatz zu den jetzigen Chefs, Paul Vogt und Thierry Carrel, habe er kaum Erfahrung mit Herztransplantationen.
Veraltete Herzchirurgie?
Doch warum sind die ehemaligen Stars der Herzchirurgie nicht mehr gefragt? Bereits vor zwei Jahren warf ein Stellenwechsel von Thierry Carrel Fragen auf: Damals verliess er das Berner Inselspital, welchem er lange Zeit als das umschwärmte Aushängeschild diente.
Schon
damals war klar, dass er am USZ nur die zweite Geige spielen würde. Es kam auch heraus, dass Kardiologen Carrel schon länger vorwarfen, eine veraltete Herzchirurgie zu betreiben. Die katheterbasierte oder endovaskuläre Chirurgie habe er überhaupt nicht gepusht.
Carrel kontert
Gegenüber Medinside wehrt sich Thierry Carrel gegen diese Vorwürfe und stellt klar: «Von veralteten Methoden kann keine Rede sein. Die aktuelle Herzchirurgie befasst sich zunehmend mit dem High-end der Herzerkrankungen: Transplantationen, Kunstherzen, Aortenrisse, angeborene Herzfehler bei Kindern und Erwachsenen.» Für diese Eingriffe, so Carrel gebe es keine katheterbasierten Lösungen. «Wir haben in Bern sehr viel zur Entwicklung von minimal-invasiven Herz-Lungenmaschinen beigetragen».
Und weiter betont Carrel: «Am USZ wird eine grosse Anzahl der katheterbasierten Klappeneingriffe gemeinsam von Kardiologen und Herzchirurgen durchgeführt, weil die Herzchirurgen sich durchaus dafür sehr interessieren. Also sehr fortschrittlich, im Gegensatz zu Bern zum Beispiel, wo die Kardiologen diese Eingriffe weitgehend im Alleingang durchführen.» Im Übrigen seien die Qualitätszahlen in den letzten zwei Jahren an der Herzchirurgie des USZ hervorragend gewesen. Die beobachteten Sterblichkeitsraten seien bei praktisch allen Eingriffen sehr viel tiefer ausgefallen als erwartet.
Im Rennen mit St. Gallen?
Möglicherweise will – oder muss – sich das USZ in der Herzchirurgie möglichst schnell neu positionieren. Jedenfalls werfen die Tamedia-Zeitungen die Frage auf, ob aus St. Gallen neue Konkurrenz drohe.
Das St. Galler Kantonsspital wolle seine Klinik ausbauen. Das bestätigt Philipp Lutz, Sprecher des Kantonsspitals, auf Anfrage von Medinside weitgehend. Allerdings wird das nicht so schnell gehen. Das Kantonsspital will für die neue Spitalliste von 2024 einen erweiterten Leistungsauftrag im Bereich Herzchirurgie beantragen. Genauere Angaben zum Antrag gibt es noch nicht.
Was macht Thierry Carrel jetzt?
Auch wenn Thierry Carrel wohl brüskiert ist vom unrühmlichen Abgang, welchen ihm das USZ nun beschert, wird er nicht lange nach neuen Aufgaben suchen müssen. Bereits vor einigen Monaten hat er sich neuen Tätigkeiten zugewandt: Er wird die
Reorganisation im Freiburger Spital begleiten.
Ausserdem ist Thierry Carrel in seiner Wohngemeinde im Kanton Luzern in die Politik eingestiegen und
Mitglied des Gemeinderats geworden. Für den Nationalrat kandidierte er einst erfolglos.