Assistenzärzte: Immer noch zu wenig Zeit für Weiterbildung

Vier Stunden Weiterbildung pro Woche: Das ist für viele Assistenzärztinnen und -ärzte illusorisch. Es fehlt am Geld – unter anderem.

, 11. September 2024 um 06:16
image
Gängiges: Statt Weiterbildung gibt es für Assistenzärzte Büroarbeit |  Symbolbild: Medinside (made with Midjourney).
«Auf Papier gibt es zwar fixe Weiterbildungszeiten, doch das ist nur pro forma», kritisiert ein junger Assistenzarzt in der Zeitschrift «Saldo». Meist sei er in dieser Zeit im regulären Schichtdienst eingeplant, habe Sprechstunde oder sei im Operationssaal.
So dürfte es der Mehrheit der Assistenzärztinnen und -ärzte in der Schweiz gehen. Eine Umfrage von 2023 zeigte, dass nur rund 20 Prozent von ihnen wie vorgeschrieben auf vier Stunden Weiterbildung pro Woche kommen.
Das hat Folgen. Ein Assistenzarzt gesteht gegenüber «Saldo» sogar: «Oft habe ich Angst, nicht auf dem neusten Stand zu sein. Es kam schon zu gefährlichen Situationen für Patienten, weil ich überfordert war.»

Weil es die Kollegen auch akzeptieren

Viele Betroffene nehmen es hin, dass sie die Weiterbildung nur phasenweise oder gar nicht absolvieren können. Denn sie würden es gar nicht schaffen, die vier Stunden neben ihrer Arbeit auch noch aufzubringen. Oft akzeptieren es auch die Kollegen und Kolleginnen, dass es nicht reicht für die Weiterbildung. Oder sie merken, dass es die Chefin oder Chef nicht gerne sieht, wenn man auf der Weiterbildungszeit beharrt.
Erst kürzlich hat die Berner Sektion des Vereins der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO) deshalb wieder einmal darauf hingewiesen, dass die Weiterbildung vertraglich garantiert sei.
Wichtig ist auch: Sie muss von der Arbeitsstätte zwingend während der normalen Arbeitszeit angeboten werden. «Es muss gewährleistet sein, dass die Assistenzärztinnen und -ärzte die Weiterbildung neben ihrer klinischen Tätigkeit wahrnehmen können, ohne dass dadurch Überstunden entstehen», sieht beispielsweise der GAV im Kanton Bern vor.

Generell und ohne Ausrede

Der Verband ist sich bewusst, dass die Spitäler oft Ausreden bringen, wenn sie zu wenig Zeit für die Weiterbildung zur Verfügung stellen. Deshalb erwähnt er ausdrücklich: «Der Anspruch auf Weiterbildung gilt generell, auch in Zeiten einer Umstrukturierung am Arbeitsplatz oder Einführung einer neuen Software.»
Dass heute ein viel zu grosser Teil der Arbeitszeit mit administrativen Tätigkeiten verbracht wird, ist dem VSAO ein Dorn im Auge.
Die Spitäler in der Deutschschweiz erhalten von den Kantonen pro Jahr 130 Millionen für die Weiterbildung. Der Spitalverband Hplus und verschiedene grosse Spitäler sagen jedoch, dass diese Beiträge nicht reichen würden.

Uster ist Vorzeigebeispiel

Einige Kantone haben deshalb ihre Beiträge erhöht oder wollen das noch tun. Und nun reagieren auch die Spitäler. Seit August 2024 hat das Spital Uster für Assistenzärzte in der Chirurgie das Modell der 42+4-Stunden-Woche. Damit geht die chirurgische Klinik in Uster als Vorzeigebeispiel voran, dass auch in der Chirurgie das 42+4h-Modell umsetzbar ist.
Eigentlich müsste das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung eingreifen, wenn die Qualität der Weiterbildung in einem Spital nicht stimmt. Doch das Institut scheut davor zurück, einem Spital die Ausbildungserlaubnis zu entziehen. Denn dann würden die Weiterbildungsstellen ganz wegfallen.
  • spital
  • Assistenzärzte
  • WEITERBILDUNG
  • VSAO
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

LabPOCT: Ein Werkzeug für all Ihre Laborgeräte

Mit dem System LabPOCT bietet Sonic Suisse ein Cockpit, mit dem Sie sämtliche Analysen verwalten können – sowohl das eigene Praxislabor als auch das externe Sonic Suisse-Labor.

image

KSBL: Zwei Spitäler? Oder ein neues? Der Entscheid fällt 2026.

Die Regierung von Baselland präsentiert ein Rahmenprogramm für die Gesundheits-Versorgung. Sie prüft dabei auch ein Darlehen, damit das Kantonsspital über die nächsten Jahre kommt.

image

Die IS-H-Alternative bereits im Hause

Universitätsklinikum Köln deckt Prozesse von der Aufnahme bis zur Abrechnung in ORBIS ab.

image

CHUV: Claire Charmet folgt auf Nicolas Demartines

Nach einem langen Verfahren holt das Waadtländer Kantons- und Unispitals seine neue Generaldirektorin vom Neuenburger Kantonsspital RHNe.

image

KSA: Erster sondenloser Zweikammer-Herzschrittmacher implantiert

Innovation in der Kardiologie: Am Kantonsspital Aarau wurde der erste sondenlose Zweikammer-Herzschrittmacher implantiert.

image

Im Emmental entsteht ein neues Gesundheitsnetz

Hinter dem Zusammenschluss stehen das Spital Emmental, Spitex- und Langzeitpflege-Institutionen.

Vom gleichen Autor

image

Schweizer Operationstisch-Hersteller sucht neuen Besitzer

Die einzige Schweizer Firma, die OP-Tische produziert, sucht einen neuen Besitzer. In Schweizer Spitälern sind 400 Schaerer-Tische in Betrieb.

image

Ein «Curriculum» für junge Hausärztinnen und Hausärzte

Das Spital Bülach hat eine Lösung gegen den Hausärztemangel: Es bildet Ärzte und Ärztinnen speziell fürs Zürcher Unterland aus.

image

Permance Tafers nun nochmals etwas länger geöffnet

Nochmals eine Stunde länger: Die einst stark eingeschränkten Öffnungszeiten in Tafers werden schrittweise wieder verlängert.