Mandel-OP auch in der Schweiz oft nicht kostendeckend

Deutsche HNO-Ärzte wollen bei Kindern keine Mandeln mehr operieren. Eine solche Notlage könnte auch der Schweiz drohen.

, 21. Juni 2023 um 05:29
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Symbolbild: halsnasenohrenarzt.com
In unserem Nachbarland Deutschland schwelt ein hässlicher Streit auf dem Buckel von Kindern: Deutsche Ärzte wollen mehr Geld fürs Entfernen der Rachenmandeln. Viele Hals-Nasen-Ohren-Ärzte (HNO) operieren vorläufig nicht mehr. Erst wenn die Kassen die Bezahlung «deutlich verbessern», wollen die Ärzte wieder neue Termine für Mandeloperationen bei Kindern vergeben.

Auch in der Schweiz «krass unterbezahlt»

Mandel-Operationen seien keineswegs nur «zu wenig lukrativ», sondern «krass unterbezahlt und auch in der Schweiz meist defizitär», kommentierte ein Arzt. Das Honorar stehe in keinem Verhältnis zur erforderlichen Ausbildung, der geleisteten Arbeit, und den Risiken.
«Ein Coiffeur wird für seine Leistung besser bezahlt als ein HNO für die Tonsillektomie, ein doch heikler Eingriff mit potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen.» Es sei kein Wunder, dass das bald niemand mehr machen wolle.

«Oft nicht kostendeckend»

Die Schweizerische Gesellschaft für Oto-Rhino-Laryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie (SGORL) äusserte sich gegenüber Medinside etwas moderater – aber in die gleiche Richtung.
Das Honorar für Mandel-Operationen und andere HNO- Eingriffe sei in der Schweiz zwar uneinheitlich geregelt. Deshalb sei die Beurteilung schwierig. «Es ist aber bekannt, dass die Rachen- und Gaumenmandel-Operationen «in gewissen Institutionen und Regionen der Schweiz nicht kostendeckend ist», stellen Hans Rudolf Briner und Thomas Linder von der Schweizerischen ORL-Gesellschaft fest.

Häufig betroffen: Belegärzte

Betroffen seien häufig Belegärzte, welche während der operativen Tätigkeit gleichzeitig laufende Praxisunkosten hätten. Die Gesellschaft arbeitet deshalb daran, dass kostendeckende Tarife eingeführt werden. So wolle man die in Deutschland herrschende Notlage vermeiden.
Ob die neuen ambulanten Pauschalen und der geplante neue Arzttarif Tardoc schon bald «eine faire Abgeltung für alle» ermöglichen wird, wie das die HNO-Fachärzte hoffen, ist allerdings fraglich.

«Untaugliche Pauschalen und Tarife»

Denn der Fallpauschalen-Katalog sei untauglich, kritisierten etwa kürzlich die Radiologen. Und auch der Tardoc stösst nicht auf Anklang: «Der anfänglich noch gemeinsam mit den Fachgesellschaften entwickelte Tardoc wurde durch unreflektierte politische Sparwut tarifarisch immer weiter gekürzt», kritisiert der Radiologe Florian M. Buck.

Deutschland will weniger Fallpauschalen

Buck sagt, es gebe unzählige weitere Spezialärzte, die mit identischen oder ähnlich gelagerten Problemen kämpften. Deutschland buchstabiert mittlerweile schon wieder zurück bei den Fallpauschalen: Die Kliniken sollen weniger aufs Geld schauen müssen.
Deshalb will die Regierung die Fallpauschalen verringern. Das soll den Anreiz senken, möglichst viele Patienten zu behandeln. Dafür erhalten die Spitäler feste Beträge für das Personal, die Notaufnahme oder notwendige Medizintechnik.
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