Bis vor kurzem waren die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) überzeugt davon, das Richtige zu tun: sie beschäftigten eine Ärztin mit Tätigkeitsverbot. Doch nun haben es sich die Verantwortlichen anders überlegt: Die gerichtlich verurteilte Assistenzärztin wurde entlassen.
Mitarbeiter wehren sich
Was zum Meinungsumschwung geführt hat, ist unklar. Jedenfalls sind laut einem Bericht der «Berner Zeitung» etliche Mitarbeitende nicht einverstanden mit der Entlassung. Die Gründe: Die Ärztin habe immer offen über ihre Verfehlungen informiert. Bei den UPD habe sie sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Und sie sei zuverlässig und kompetent gewesen.
Das war wohl auch der Grund, weshalb die Geschäftsleitung der UPD die Ärztin 2018 angestellt und trotz ihrer Verurteilung im Jahr 2021 weiterhin beschäftigt hatte.
18-Jährigen sexuell genötigt
Dieses Urteil ist allerdings nicht ganz irrelevant, denn die Ärztin hat einen damals 18-jährigen ehemaligen Patienten sexuell genötigt.
Und zwar betreute die Frau vor einigen Jahren einen Jugendlichen mit Autismus. Die damals gut 40-Jährige verliebte sich später, als der Patient gerade volljährig und nicht mehr von ihr behandelt wurde, in ihn und wollte eine sexuelle Beziehung mit ihm eingehen.
Zehnjähriges Verbot
Der junge Mann wollte das nicht. Trotzdem kam es zu Oralverkehr. Ausserdem belästigte sie den Mann ständig wieder mit E-Mails, SMS und Anrufen.
2019 wurde sie zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Und vor allem erhielt sie ein zehnjähriges Verbot jeglicher Tätigkeit mit Kontakt zu besonders schutzbedürftigen Erwachsenen. Weil die Ärztin das Urteil bis vor das Bundesgericht weiterzog, galt es erst seit 2021.
Unter enger Kontrolle
Zuerst kümmerte das die UPD und den Kanton Bern wenig: Sie wüssten davon, nahmen sie gegenüber der «Berner Zeitung» Stellung. Die Ärztin arbeitete zwar als Assistenzärztin in der Erwachsenen-Psychiatrie. Sie sei aber unter enger Kontrolle tätig und betreue keine besonders schutzbedürftigen Erwachsene.
Jetzt kam aber offenbar der Verwaltungsrat der UPD zum Schluss, dass eine solche Auslegung des Tätigkeitsverbots nicht haltbar sei. Man habe erst kürzlich umfassende Kenntnis von der Sachlage erhalten. Nach einer sorgfältigen Abwägung habe man die Anstellung «neu eingeschätzt», heisst es.
Die neue Einschätzung bedeutete für die Ärztin: sie wurde entlassen.