Welche Bedürfnisse haben Kinder, wenn sie im Spital sind? Und wie können sie erfasst werden? Diese Fragen bildeten die Ausgangslage für eine Studie, die Andrea Abraham, Leiterin Forschung des Instituts
Dialog Ethik, zusammen mit einem Team am
Kinderspital Zürich (Kispi) durchgeführt hat.
Dass sich Ärzte und Pflegepersonal im Kispi am Kindeswohl orientieren, versteht sich von selbst. Weniger klar ist allerdings, was genau der Begriff bedeutet. In Diskussionen zeigte sich nämlich, dass alle unter Kindswohl etwas anderes verstehen. Um den Begriff zu erfassen, führte eine Projektgruppe um Andrea Abraham bei Kindern, Jugendlichen, Eltern und Fachpersonen eine systematische Befragung durch.
Stress überträgt sich auf die kleinen Patienten
Dabei zeigte sich, dass das Kindswohl vor allem von sozialen und emotionalen Faktoren abhängig ist: Die kleinen Patienten wollen angehört, ernst genommen und miteinbezogen werden. Auch der Faktor Zeit ist zentral fürs Wohlbefinden. Sind Ärzte und Pflegepersonal gestresst, sind es die Kinder auch. Generell wurden in der Befragung nicht-medizinische Aspekte stärker gewichtet als medizinische.
40 Kriterien für das Kindswohl
Aufgrund der Interviews kristallisierten sich 40 Kriterien heraus, die für das Kindswohl entscheidend sind:
Krankheits- und therapiebezogene Bedürfnisse:
- Umfassende und abwechslungsreiche Therapien
- Effizienz
- Zeit nehmen
- Sichtweise und Wünsche der Kinder kennen und berücksichtigen
- Schmerzfreiheit, -begrenzung
- Unterstützung zur ausgewogenen Ernährung
- Konstanz, Kontinuität und Prozessbegleitung
- Ruhe, Erholung, Schlaf
Emotionales Wohlbefinden der Kinder:
- Vorbereitung auf den Spitalaufenthalt und sorgsamer Eintritt
- Vertrauen und Geborgenheit
- Ehrlichkeit und Verbindlichkeit
- Eltern/Kind-Beziehung
- Kontakt mit sozialem Umfeld zuhause
- Humor
- Kinder- und familienfreundliche Innenräume
- Privat- und Intimsphäre
- Berücksichtigung von Essenswünschen
- Würdiges Lebensende
Ermutigung und Befähigung:
- Selbst-, Mit- und Fremdbestimmung von Kindern und Jugendlichen
- Kinderwissen berücksichtigen und fördern
- Angstarbeit mit Kindern
- Resilienz fördern
- Hilfsmittel
- Unterstützung und Planung für das Leben zuhause
Professionelle Betreuung:
- Kommunikation unter Fachpersonen
- Systematische Entscheidungsfindung
- Auseinandersetzung mit medizinischen Unsicherheiten und Grenzen
- Forschung, Innovation und experimentelle Behandlungen
- Offene Fehlerkultur und Konfliktmanagement
Normalität und gewohntes Leben:
- Unbeschwerte alltägliche Momente schaffen
- Bildung aufrechterhalten
- Mobilität, Bewegung und Sport
- Freizeit- und Unterhaltungsmöglichkeiten
- Soziale Kontakte in Spital und Reha
- Natur, Tiere, Aktivitäten draussen
Familienorientierung:
- Eltern als Co-Experten
- Unterstützung durch Eltern in der Pflege
- Kommunikation und Information für Eltern
- Angstbewältigung mit Eltern
- Unterstützung der Eltern / Familie
Der Schlussbericht «Eine qualitative Studie zum Wohlbefinden hospitalisierter Kinder und Jugendlicher» erscheint am 30. Juni 2016