5 Dinge, in denen Pflegefachleute wirklich gut sind – manchmal besser als die Ärzte

Die Pflege übernimmt zunehmend Aufgaben, die früher nur Ärzte vollbrachten. Und sie tut das sehr gut. Von Roger Watson.

, 16. Januar 2017 um 11:00
image
Bild: Twenty20
Viele Patienten wird es beunruhigen, wenn eine Pflegefachkraft vor einem steht, obwohl sie einen Arzt erwartet haben. Aber das muss nicht sein.
Der Grund, weshalb Arbeiten von den Doktoren zur Pflege verlagert werden, liegt einerseits im Ärztemangel, andererseits in gewissen Fortschritten der Medizin und der Chirurgie. Heute können Ärzte und Chirurgen weitaus komplexere Eingriffe vornehmen. Die Menschen leben länger, und so benötigen heute auch mehr Personen einen Doktor. Dabei greifen die Ärzte auch auf neue Tätigkeiten aus, während sie bei anderen Aufgaben abbauen. Einige dieser Jobs wiederum werden vom Pflegepersonal übernommen. 
  • image

    Der Autor

    Roger Watson ist Professor für Pflegewissenschaft (Professor of Nursing) an der britischen Universität Hull. Ursprünglich studierter Biochemiker, absolvierte er auch eine Pflegeausbildung am St. George’s Hospital in London. Er ist Chefredakteur des «Journal of Advanced Nursing» und Herausgeber von «Nursing Open».

Die Arbeitsfelder der Pflege reichen von sehr spezifischen Behandlungen bis zu sehr allgemeinen Massnahmen. Zu den spezifischen Jobs gehören gewisse invasive Prozeduren. Und zu den allgemeinen Aufgaben zählt es manchmal, eine eigene Klinik zu führen.
Hier sind nun fünf Beispiele von Aufgaben, welche Pflegefachkräfte speziell gut erfüllen:

Dinge aus Kinderohren entfernen

Kinder haben die Angewohnheit, kleine Spielsachen in ihre Ohren einzuführen. Ist das einmal geschehen, kann es sehr schwierig werden, die Dinge wieder herauszubekommen. Oft versuchen die Eltern, das Objekt selber zu entfernen, wobei sie es oft noch weiter hineinschieben. In diesem Punkt sucht man dann in der Regel eine Permanence oder Notfallstation auf.
Eine Studie verglich, wie Pflegefachleute bei dieser Aufgabe im Vergleich zu Ärzten abschnitten: Ihre Erfolgsrate lag bei 90 Prozent – während Oberärzte nur 15,4 Prozent und Assistenzärzte 7,7 Prozent erreichten. Ein sehr gutes Resultat für die Pflege.

Krankheiten diagnostizieren

Ärzte verbringen Jahre damit, die Myriaden von Dingen zu lernen, welche im menschlichen Körper falsch laufen können. Aber können sie Probleme besser diagnostizieren als Pflegefachleute? Eine Studie nahm komplexe Krankheitsfälle, um die diagnostischen Fähigkeiten von Doktoren und Pflegern zu vergleichen. Dabei wurden die Beteiligten nicht nur gebeten, die Krankheit zu diagnostizieren, sondern sie sollten auch eine Therapie vorschlagen. 
Die Forscher fanden heraus, dass es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Pflegern und Ärzten gab. 
Dieser Artikel wurde ursprünglich publiziert in «The Conversation». Lesen Sie den Original-Beitrag: «Five things nurses are really good at – and sometimes better than doctors», Januar 2017. Übersetzung mit Genehmigung des Autors.

Kliniken führen

Normalerweise ist die erste Person, die Sie beim Eintritt in eine Klinik sehen, eine Pflegefachkraft. Diese führt Sie zum Arzt, sie bleibt dabei und setzt dann um, was der Doktor vorschlägt. In einigen britischen Kliniken tun die Nurses aber alle Arbeit, ohne Hilfe des Arztes.
Ein Beispiel dafür bietet eine Studie zu Rheumakliniken. Die Untersuchung verglich Kliniken, welche von Ärzten geleitet wurden, mit Kliniken, bei denen Pflegefachleute an der Spitze waren. Gemessen wurden dabei Faktoren wie Aktivitäten, Schmerzen der Patienten, die Zufriedenheit oder das Vertrauen, welche die Patienten äusserten.
Die Analyse ergab, dass kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Pflege- und Mediziner-geführten Kliniken feststellbar war.

Medikamente verschreiben

In der Geschichte der Medizin war die Arzneimittel-Verschreibungen fast immer eine Exklusivität der Ärzte und Zahnärzte. Heute kommt es häufiger vor, dass andere Fachleute wie Hebammen, Apotheker, Physiotherapeuten und Pflegefachleute selber Rezepte ausstellen. Ein Fact Sheet des Royal College of Nursing über die Verschreibungs-Tätigkeit zeigte, dass Pflegefachleute hier eine bessere Betreuung boten und dass die Patienten durch sie rascher zu ihren Medikamenten kamen. Für die Pflege ein gutes Resultat.

Endoskopien

Endoskopien sind nicht angenehm, und es gibt Risiken dabei. Die Prozedur wird normalerweise aus diagnostischen Gründen benötigt, aber manchmal geht es auch um kleine Eingriffe, etwa das Entfernen von Polypen.
Dies gehörte ursprünglich nicht zu den Aufgaben der Pflegefachleute. Doch in Grossbritannien übernahmen die Nurses diese Aufgaben in den letzten Jahren – und sie taten es sehr gut. Eine wichtige Überblicksarbeit zur diagnostischen Endoskopie durch Pflegefachleute zeigte, dass sie es mit gleicher Sicherheit durchführten wie die Ärzte, und auch, dass ihre Diagnosen ebenso präzise waren.
Es gibt also Belege dafür, dass die Pflege viele Arbeiten genauso gut ausführt wie die Mediziner.
So gut, dass Sie sich womöglich bald fragen, weshalb Sie einen Arzt vor sich haben, wenn sie eigentlich auch jemanden aus der Pflege sehen könnten.
Artikel teilen
  • Share
  • Tweet
  • Linkedin
  • Whatsapp
  • Telegram
Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Was ist Ihr Beruf?

Wo arbeiten Sie?*

undefined
undefined

*Diese Angaben sind freiwillig. Sie bleiben im Übrigen anonym.
Warum bitten wir Sie darum? Medinside bietet Ihnen die Informationen und Beiträge kostenlos. Das bedeutet, dass wir auf Werbung angewiesen sind. Umgekehrt bedeutet es idealerweise auch, dass Ihnen auf Medinside möglichst nur Werbung gezeigt wird, die zu Ihnen passt und die Sie interessant finden könnten.
Wenn wir durch solche Erhebungen Angaben über das allgemeine Profil des Medinside-Publikums gewinnen, nützt dies allen: Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, uns und unseren Kunden. Vielen Dank!


Mehr zum Thema

image

HUG: Sieben Entlassungen wegen sexuellen Fehlverhaltens

Nach dem RTS-Film zu Missständen im Westschweizer Spitälern blieb eine neue #MeToo-Welle zwar aus. Das Genfer Unispital HUG zieht dennoch Konsequenzen.

image

Kleiner Trick mit Wirkung: Der Kopf-Kleber im Operationssaal

Wer im OP mitarbeitet, trägt einen bunten Kleber auf der Haube – mit Vorname und Hinweis zur Berufsgruppe. Eine deutsche Universitätsklinik schafft so mehr Klarheit und Teamgeist bei Operationen.

image

Die Ankündigung der Zürcher Spitäler bezüglich Temporärarbeit ist kontraproduktiv

Die Absprache der Zürcher Spitäler, auf Temporärarbeitende zu verzichten, ist kontraproduktiv und gefährdet die Patientensicherheit. Die Temporärarbeit ist ein bewährtes Mittel gegen den Fachkräftemangel, indem Pflegekräfte flexibel bleiben und jederzeit in den Beruf wieder einsteigen können.

image

«Unsere Pflegekräfte sollen von der Umstellung profitieren»

Glen George, der Präsident der Vereinigung Zürcher Privatkliniken, erläutert den «Temporär-Stopp» im Kanton Zürich. Es sei denkbar, «dass dieser Schritt langfristig flächendeckend umgesetzt wird.»

image

«Eine Ökonomisierung der Pflege lehnen wir ab»

Die Unia sucht Lösungen gegen die Krise in der Langzeitpflege. Ein neues «Care-Manifest» der Gewerkschaft fordert einen aktiveren Staat sowie eine direktere Einbindung der Pflegenden.

image

Frankreich: Höhere Tarife gegen Abwanderung von Pflegepersonal

Da immer mehr Pflegefachleute in der Schweiz oder in Luxemburg arbeiten, plant Frankreich eine Antwort – höhere Entschädigungen für Spitäler in Grenzregionen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.