Vor drei Jahren, also im Herbst 2017, legte eine Expertengruppe unter dem Vorsitz von alt-Ständerätin Verena Diener ihren vielbeachteten Bericht über kostensenkende Massnahmen vor. Massnahme 28 lautet: «Missbräuchliche Zusatzversicherungstarife verhindern».
Darin steht, dass der Preisüberwacher grundsätzlich die Möglichkeit hat, bei den Spitaltarifen zu Lasten der Zusatzversicherungen tätig zu werden. Preisüberwacher Stefan Meierhans bestätigt dies auf Anfrage. Er könne aber nur dann tätig werden, wenn eine «marktmächtige Position eines Spitals in einer konkreten Wettbewerbssituation» nachgewiesen werden könne. Sei dies der Fall, suche er nach einer einvernehmlichen Lösung. Gelinge das nicht, könne er eine Verfügung auf dem formellen verfahrensrechtlichen Weg anstreben.
Breite Marktbeobachtung
Nach Angaben des Preisüberwachers läuft derzeit eine breit angelegte Marktbeobachtung, bei welcher erstmalig die VVG-Tarife flächendeckend erhoben werden. Je nach Resultat werde er «erneut besonders störende einzelne Fälle aufgreifen.»
Was heisst erneut? In der Tat ist der Preisüberwacher in einem konkreten Fall tätig geworden – und zwar in Thun, wo sich die regionale Spitalgruppe STS auf Druck des Preisüberwachers zu einer Senkung der VVG-Tarife verpflichtete.
«Marktmächtige Verhandlungsposition».
Die Spitäler sitzen am längeren Hebel. In der öffentlichen Wahrnehmung sind immer die Kassen die Bösen, wenn sie ihr Leistungsversprechen nicht einhalten. Der Preisüberwacher nennt dies eine «marktmächtige Verhandlungsposition».
Die zusatzversicherten Kunden erwarten grundsätzlich, dass der Aufenthalt in einer Privatabteilung in jedem Spital der Schweiz von der Zusatzversicherung vergütet wird. «Die Versicherungen können es sich folglich kaum leisten, diese Leistungen nicht zu vergüten, ohne einen Reputationsschaden zu erleiden», erklärt Preisüberwacher Stefan Meierhans. Er gehe deshalb in vielen Fällen gar «von einem faktischen Kontrahierungszwang aus».
Die vom Preisüberwacher geprüften Zusatzversicherungstarife überstiegen die ausgewiesenen Kosten um ein Vielfaches, schreibt Stefan Meierhans weiter. Gemäss seinen Analysen sind die Tarife für Spitalzusatzversicherungen «vermutungsweise flächendeckend überhöht, auch wenn wir dies zurzeit nicht beweisen können.»
Bei Tarifstreitigkeiten machen die Kassen meistens zweite
«Die Krankenkassen wollen für Zusatzversicherungen nicht mehr jeden Preis akzeptieren». Das schrieb Medinside am 13. Juni 2018 (mehr dazu lesen Sie
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Vorgängig gelangten vereinzelt Fälle an die Öffentlichkeit, bei denen sich Kassen mit gewissen Spitälern nicht zu einigen vermochten und ihre Versicherten dazu anhielten, bei anstehenden Operationen und Behandlungen in andere Spitäler auszuweichen.
Bekannt war etwa der Tarifstreit der KPT mit Swiss Medical Network, die damals noch Genolier hiess. Später stritten Helsana und CSS mit den Solothurner Spitälern. Und vor zwei Jahren sorgte insbesondere das Unispital Basel (USB) für einigen Wirbel, als es mit Concordia, Helsana und insbesondere mit Sympany fast das ganze Jahr im Clinch lag.
Ist der Streit beigelegt, wenden sich die Streithähne an die Öffentlichkeit und erklären, der Tarifstreit konnte «im Interesse aller beigelegt werden». Sympany-CEO Michael Willer sagte in der Basellandschaftlichen Zeitung vom 29. November 2018: «Es freut mich, dass wir mit dem USB einen neuen Vertrag abschliessen konnten und eine gute Lösung gefunden haben.»
So macht man gute Miene zum bösen Spiel. Allen ist klar, dass die Krankenversicherer am kürzeren Hebel sitzen. Preisüberwacher Stefan Meierhans spricht sogar von einem «faktischen Kontrahierungszwang.»