Drei-Tage-Woche: «Das Modell tönt interessant»

Ein 60-Prozent-Pensum zum vollen Lohn könnte bei der Umsetzung der Pflege-Initiative diskutiert werden, findet der Berufsverband. Doch die Assistenzärzte sind skeptisch.

, 19. Januar 2022 um 14:00
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Yvonne Ribi ist die Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner, SBK. | PD
Der Luzerner Berater und Coach Arnaldo Urbanetti macht im Hinblick auf eine neue Gesundheitskrise in der Schweiz einen ungewöhnlichen Vorschlag. Im Interview mit Medinside erklärte er sein Modell: Er möchte, dass die Spitäler massiv mehr Personal einstellen und dieses dann im Normalfall nur noch drei Tage pro Woche arbeitet. Dafür müsste es aber auch bereit sein, im Krisenfall bis zu fünf Tage zu arbeiten.

Interessanter Vorschlag für den SBK

Für den Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) tönt das Modell interessant. Es könnte in die Diskussion um die Umsetzung der Pflege-Initiative einfliessen, sagt SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi gegenüber Medinside. Konkreter kann sie sich allerdings noch nicht dazu äussern. «Die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals wird ein Thema sein. Es ist aber zu früh, schon detaillierte Vorschläge wie eine Pensenreduktion zu erörtern», sagt sie.

Assistenzärzte sind skeptisch

Weniger Anklang findet der Vorschlag bei den Assistenzärztinnen und -ärzten. Sie würden nach Urbanettis Vorstellungen ebenfalls in den Genuss des 60-Prozent-Pensums kommen. «Auf den ersten Blick mag die Idee bestechend tönen – die eigentlichen Probleme werden jedoch so nicht gelöst, sondern verschärft», sagt Marcel Marti vom Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (vsao) zu Urbanettis Vorschlag. Für eine Drei-Tage-Arbeitswoche bräuchte es massiv mehr Personal. Das wäre nach Ansicht des Verbands weder kurzfristig umsetzbar noch im Parlament mehrheitsfähig.

Schwer kontrollierbare Arbeitszeiten

Marti fürchtet, dass sich die ohnehin schwierigen Arbeitsbedingungen weiter zuspitzen würden, weil trotz der auf dem Papier reduzierten Arbeitspensen in Spitälern und Heimen ohne zusätzliches Personal ein Rund-um-die-Uhr-Betrieb sichergestellt sein müsste. Der Verband sorgt sich auch darum, dass bei den Assistenzärztinnen und -ärzten noch mehr Zeit für die Weiterbildung zum Facharzttitel fehlen würde. Nicht zuletzt fragt sich Marti auch, ob das Modell nicht Tür und Tor für längere und schwer kontrollierbare Arbeitszeiten öffne.

So viel würde es kosten

Eine Überschlagsrechnung der «Handelszeitung» vor zwei Monaten zeigt, was eine Pensenreduktion von 80 auf 60 Prozent bei gleichem Lohn kosten würde. Die Zeitung hat folgende Rechnung für 6200 Vollzeitpensen in der Intensivpflege angestellt: Bei einem mittleren Lohn von 7400 Franken kommt sie auf einen Betrag von rund 150 Millionen Franken im Jahr.
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