«75 Prozent der Angestellten rechnen nicht mit Impfzwang» titelte Medinside am
18. Januar. Die Gesundheitsprofis, die an der entsprechenden Umfrage teil genommen hatten, haben sich geirrt: Wie ein internes Papier, das dem
«Tages Anzeiger» vorliegt, zeigt, hat die Trägerschaft eines Altersheims im Kanton St. Gallen sein Personal angewiesen, sich impfen zu lassen. Der Grund: Das Heim wurde in der zweiten Welle derart stark getroffen, dass ein Fünftel der Bewohner an einer Covid-19-Erkrankung starb.
Grund genug für den Präsidenten der Trägerschaft, zu einer solchen Massnahme zu greifen – allerdings ohne Erfolg. Laut der Tageszeitung hat sich ein grosser Teil des Gesundheitspersonals der Weisung widersetzt und den Altersheim-Chef ratlos zurück gelassen: Er verstehe die skeptische Haltung nicht. Mit der Weisung, sich impfen zulassen, habe das Heim die Bewohner vor einer Ansteckung schützen lassen.
Der Aufstand des Gesundheitspersonals hat sich gelohnt: Ab sofort gelten verschärfte Schutzmassnahmen wie etwa FFP2-Masken sowie häufigeres testen. Das Heim sieht nicht vor, den Impfverweigern zu kündigen, heisst es weiter.
Verbände äussern sich
Die Verbände nehmen gegenüber dem «Tages Anzeiger» wie folgt Stellung: Während der Dachverband der Heime Curaviva Schweiz sagt, dass es sich um den ersten Fall einer Institution handle, die ihr Personal für eine Covid-19-Impfung verpflichten will, stösst das Vorgehen des St. Galler Alterheims beim Berufsverband des Pflegepersonals (SBK) auf Unverständnis.
Die Haltung des SBK wundert nicht: Im Positionspapier, das gemeinsam mit den Gewerkschaften VPOD, SYNA und UNIA und den Arbeitgeberverbänden erarbeitet wurde, wird die Impfung empfohlen und die Freiwilligkeit betont. Von einer Anordnung von Covid-19-Impfungen wird sogar abgeraten. Medinside berichtete
hier darüber.
Heim fühlt sich alleine gelassen
Doch auch wenn die Covid-19-Impfung freiwillig ist; sie könnte gemäss Epidemiengesetz (Stand 25. Juni 2020) von den Kantonen und gewissen Heimen, Stiftungen sowie Spitälern (je nach Vertrag) für obligatorisch erklärt werden. Das Vorgehen des St. Galler Heims scheint jedoch eine juristische Gratwanderung zu sein.
Nichts desto trotz – die Trägerschaft des Altersheims im Kanton St. Gallen fühlt sich in der Impffrage alleingelassen. Deren Präsident ist der Meinung, dass es nicht sein könne, dass jedes Heim für sich die Impffrage beantworten müsse. Das sei die Aufgabe des Dachverbands oder der Politik.