Jeder dritte Onkologe fühlt sich ausgebrannt

Krebs bei Patienten macht auch den Onkologen zu schaffen: Burnout, Schlafstörungen oder Depressionen sind überdurchschnittlich häufig. Viele Krebs-Mediziner rund um den Globus greifen dann zu Beruhigungsmitteln.

, 20. Februar 2017 um 14:20
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Studie: Jeder zweite Onkologe fühlt sich am Arbeitsplatz gestresst. (Bild: Flickr CC)
Ein Drittel von knapp 5’000 Onkologen leidet unter starken Burnout-Symptomen. Dies ergab eine Meta-Studie der Universität London, die jetzt im Fachmagazin «Psycho-Oncology» erschienen ist. Verfasser waren aber keine Mediziner, sondern Organisationspsychologen.
Sie werteten über 40 Studien aus, aus Ländern wie Grossbritannien, USA, Brasilien, Australien, Japan und Frankreich. Die Papiere umfassten Antworten von 5'000 Krebsmedizinern, welche Fragen zu Burnout und anderen mentalen Beeinträchtigungen beantwortet hatten. Die Studien waren alle zwischen 1990 und 2014 durchgeführt worden.

Problematischer Alkoholkonsum

Die Last des Umgangs mit leidenden Patienten und verzweifelten Angehörigen sowie die schwere Arbeitsbelastung plagen Onkologen am meisten. Nebst hoher emotionaler Erschöpfung sind Krebs-Mediziner besonders oft von psychischen Problemen wie Depressionen betroffen. Im Schnitt fühlt sich ausserdem jeder zweite Onkologe am Arbeitsplatz gestresst.
Die Studie enthielt auch Angaben zu Beruhigungsmitteln: Rund ein Drittel der befragten Onkologen lieferte Hinweise auf problematischen Alkoholkonsum. Das heisst: mehr als vier mal pro Woche. Andere greifen laut eigenen Angaben auf Medikamente zurück, die Angst oder Schlaflosigkeit lindern. Aber alles ausserhalb der Arbeitszeit.
Caroline Kamau, Asta Medisauskaite. «Prevalence of oncologists in distress: Systematic review and meta-analysis», in: «Psycho-Oncology», 17. Februar 2017.

Diese Lösung schlagen Forscher vor

Viele berichten auch von stressinduzierten Beschwerden wie Geschwüren, Magenproblemen oder Kopfschmerzen. Die medizinische Community sollte das Burnout-Problem nicht stigmatisieren, sagt Studienautorin Caroline Kamau zur britischen Tageszeitung «The Guardian».
«Ein bedeutendes Problem ist, dass Ärzte Angst haben, diese Dinge zuzulassen.» Ihre Gefühle seien eine normale menschliche Reaktion auf die Dinge, die Mediziner durchmachen müssten – vor allem Onkologen. Die Forscher schlagen auch gleich eine Lösung für diese Probleme vor: ein «Peer-to-Peer / Mentor-Support-Netzwerk» innerhalb der Onkologie-Gemeinschaft.

«Patientenversorgung verbessern»

Das Papier hebt indes hervor, dass Onkologen häufiger als andere Medizingebiete den Patiententod erleben. Ausserdem arbeiten sie laut den Organisationspsychologen meistens über 60 Stunden pro Woche und sind auch ausserhalb der Arbeitszeit auf Abruf. Darüber hinaus sei auch der Fachkräftemangel ein Problem.
«Eine Verbesserung der Arbeitsbelastung und mehr Unterstützung von Onkologen verbessert die Patientenversorgung, verringert die Abwanderung in andere Medizingebiete und könnte letztlich die klinischen Ergebnisse für Krebspatienten beeinflussen», folgert Asta Medisauskaite, Mitautor der Studie.
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