Die Spitäler Schaffhausen, das Kantonsspital Baselland, das Zürcher Seespital und Medbase haben etwas gemeinsam: Sie arbeiten mit der südafrikanisch dominierten Hirslanden-Gruppe zusammen. Sie sind nicht die einzigen. Eine Auswahl der Kooperationen ist unten aufgelistet.
Was treibt die hochrentable und effiziente Spitalgruppe an, mit ineffizienten, ungenügend finanzierten öffentlichen Spitälern zusammenzuspannen? Steckt blankes Gewinnstreben dahinter? Wollen die unbeliebten Südafrikaner sich unentbehrlich machen oder wollen sie gar Goodwill schaffen, um Kritikern den Wind aus dem Segel zu nehmen? Wahrscheinlich alles zusammen.
Lukrative Zusatzversicherte im Fokus
Goodwill haben sie nötig. Es wird nicht gern gesehen, wenn ein ausländischer Konzern im steuer- und prämienfinanzierten Spitalwesen Millionengewinne scheffelt, indem man vor allem auf lukrative Zusatzversicherte fokussiert, aber gleichzeitig auf der mit vielen finanziellen Vorteilen behafteten Spitalliste steht und dafür vom Kanton Geld bekommt.
Nicht umsonst wollte der frühere Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger eine Sondersteuer für Spitäler mit überdurchschnittlich vielen Privatpatienten erheben. 80 Prozent dieser Steuereinnahmen von gut 40 Millionen Franken wäre von Hirslanden beigesteuert worden. Der Kantonsrat lehnte das Ansinnen ab.
Wenn beim Impfen der Schuss daneben zielt
In die Kategorie Goodwill könnte man etwa den Betrieb von Impfzentren in den Kantonen Thurgau, Zug und Zürich nennen. Impfzentren gehören weder zum Kerngeschäft von Hirslanden, noch lässt sich damit gross Geld verdienen. Ein Beobachter der Szene meinte augenzwinkernd, er wäre nicht überrascht, wenn Hirslanden den Betrieb der Impfzentren übers Werbebudget laufen liesse.
Wobei hier der Schuss zumindest im Thurgau nach hinten losging. Dass der schwerreiche Johann Rupert, Mehrheitsaktionär der Hirslanden-Gruppe, sich in «seinem» Impfzentrum als einen der ersten impfen liess und damit als Impfdrängler entlarvt wurde, war mehr als nur peinlich.
Das Beispiel Schaffhausen
Doch bei den meisten Kooperationen geht es Hirslanden um knallharte Geschäftsinteressen. Schaffhausen, wo seit Oktober eine Zusammenarbeit mit der Urologie und neustens auch eine Kooperation in der Herzchirurgie besteht, ist ein gutes Beispiel dafür. Von 2001 bis 2019 war Hirslanden Besitzerin der Privatklinik Belair.
Weil sie mit den 28 Betten und den zwei Operationssälen auf zu wenig Fallzahlen kam, wollte sie mit dem Kantonsspital kooperieren. Entsprechende Pläne zerschlugen sich, also verkaufte Hirslanden das Belair an Swiss Medical Network.
Nun aber sind die Schaffhauser Spitäler mit Hirslanden Zürich in der Urologie und der Herzchirurgie eine Zusammenarbeit eingegangen. Das Ziel ist augenfällig: Man kennt das Modell aus dem Flugverkehr, es heisst Hub and Spoke, Nabe und Speichen. Weil es sich für Hirslanden nicht lohnt, in Schaffhausen einen Standort zu haben, man aber trotzdem an diesem Kuchen knabbern möchte, lässt man Patientinnen und Patienten aus Schaffhausen «zuliefern».
Vertikale Versorgungskette
Um eine Zulieferung geht es auch bei der Kooperation zwischen Hirslanden und der Migros-Tochter Medbase. Man nennt dies auch vertikale Versorgungskette. Medbase sorgt für die ambulante Behandlung; Hirslanden übernimmt den Patienten, sobald eine stationäre Behandlung notwendig wird.
Manchmal geht eine Kooperation auch in die Brüche. Es soll die erste Kooperation zwischen einem Unispital und einer privaten Spitalgruppe werden: Das Herzzentrum in Bern. «Das standortübergreifende Netzwerk für kardiochirurgische Eingriffe der Insel Gruppe und der Privatklinikgruppe Hirslanden nimmt an der Klinik Beau-Site per 1. Juli 2018 planmässig den operativen Betrieb auf», teilte Hirslanden im Juni 2018 mit.
Schlagzeilenträchtig war vor allem der Umstand, dass der bekannte Herzchirurg Thierry Carrel bei diesem Deal involviert war. Die Kardiologen bei der Hirslanden-Klinik Beau-Site waren aber alles andere als amused. Als dann aber Thierry Carrel das Inselspital und die Universität verliess, teilte die Insel-Gruppe im selben Communiqué mit, dass Hirslanden und die Insel gemeinsam entschieden hätten, den Kooperationsvertrag per 30. Juni 2020 aufzulösen.
Wenn die Städter nicht wollen...
Interessant ist schliesslich die jüngste Entwicklung in Basel-Land. Auf dem Bruderholz-Areal will das Kantonsspital Basel-Land zusammen mit Hirslanden ein gemeinsames Operationszentrum bauen. Diese Neuigkeit ist vor dem Hintergrund der gescheiterten Spitalfusion zu sehen.
Vor zwei Jahren lehnten die Basler Stimmberechtigten die Gründung der «Universitätsspital Nordwest AG» ab, während die Baselbieter der Spitalfusion zustimmten. Von einem Scherbenhaufen war nach der Abstimmung die Rede. Nun soll es also ausgerechnet die unbeliebte Hirslanden-Gruppe sein, die zusammen mit dem Kantonsspital die Scherben zusammenwischt.
«Zürcher bauen neues Spital auf dem Bruderholz», titelte die Basler Zeitung am 26. Februar. Der Titel erinnert an das Geschehen rund um den FC-Basel: Auch dort sollten es an der Seitenlinie immer wieder die Zürcher richten – bisher freilich mit überschaubarem Erfolg.
Die Kooperationen von Hirslanden
- Im Rahmen eines Public Private Partnership plant Hirslanden mit dem Kantonsspital Baselland (KSBL) gemeinsam den Neubau eines ambulanten Operationszentrums auf dem Bruderholz. Bereits seit Ende 2019 verbindet die beiden Parteien ein Kooperationsvertrag im Bereich des Bewegungsapparates. (25.2.21)
- Seit Anfang März kooperiert Hirslanden mit den Spitäler Schaffhausen in der Herzmedizin. Patientinnen und Patienten aus dem Kanton Schaffhausen, die herzchirurgische oder komplexere invasive kardiologische Eingriffe benötigen, werden künftig prioritär an der Klinik Hirslanden in Zürich behandelt. (17.2.21).
- Hirslanden intensiviert die Kooperation mit der Stiftung See-Spital. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Hirslandengruppe sowie deren Partnerärzte an den Standorten Horgen und Kilchberg Spezialspruchstunden anbieten, um das medizinische Angebot des See-Spitals zu ergänzen. Ärztinnen und Ärzte des See-Spitals sollen im Gegenzug die Möglichkeit erhalten, spezialisierte Eingriffe an der Hirslandenklinik Im Park durchzuführen. (10.12.20).
- Seit Anfang Jahr arbeitet Hirslanden in der Herzmedizin mit dem Spital Lachen zusammen. Sie können dadurch Fall- und Qualitätsdaten gemeinsam erheben. (20.9.20)
- Schaffhauser Patienten, die sich einem komplexen urologischen Eingriff unterziehen müssen, werden im Kantonsspital Schaffhausen und an der Klinik Hirslanden in Zürich behandelt. Bei der Behandlung dieser Patienten erfolgt der Eingriff gemeinsam an der Klinik Hirslanden in Zürich, die Vor- und Nachbetreuung am Kantonsspital Schaffhausen. (10.09.20)
- Die Kooperation zwischen Hirslanden und Medbase verfolgt das Ziel, die ambulante und stationäre Medizin zu bündeln und damit eine wohnortnahe integrierte medizinische Versorgung zu gewährleisten. (15.1.20).
- Die Universitätsspitäler von Genf (HUG) und die Hirslanden-Gruppe haben beschlossen, eine öffentlich-private Partnerschaft einzugehen, um das erste ambulante Chirurgiezentrum dieser Grösse in der Schweiz zu entrichten. (9.10.2019)
- Gemeinsame Wege gehen die Hirslanden Klinik Aarau und das Kantonsspital Baden in der hochspezialisierten Bauch-Chirurgie. Mit dieser Kooperation wollen die beiden Spitäler sicherstellen, dass Patienten mit Krebserkrankungen an der Bauchspeicheldrüse oder an der Leber wohnortsnah operiert werden können. (8.8.2019)
- Das Kantonsspital Aarau und die Hirslanden Klinik Aargau betreiben gemeinsam das Herzzentrum Aargau. Es besteht aus der Kardiologie des Kantonsspitals Aarau und der Herzchirurgie der Hirslanden Klinik Aarau, (22.3.14)
- Vor acht Jahren ist Hirslanden mit der Spital Männedorf AG eine Kooperation zum Bau und Betrieb eines neuen Radiotherapiezentrums für die Behandlung von Krebspatienten eingegangen. Seit 2014 ist es in Betrieb. (23.5.2013)
Ebitda-Marge von über 10 Prozent
Hirslanden gehört zu Mediclinic International; der Konzern hat seinen Sitz in Südafrika und ist an der Londoner Börse kotiert. Die Gruppe mit ihren 17 Spitälern ist für hiesige Verhältnisse höchst rentabel. Mehrere Jahre erzielte sie eine Ebitda-Marge von über 20 Prozent. Im letzten Geschäftsjahr, Abschluss per Ende März 2000, fiel die Marge von 18,2 auf 16 Prozent. Das ist aber immer noch mehr als das Doppelte, als Spitäler in der Schweiz im Schnitt zu erzielen vermögen. Eine Ebitda-Marge von 10 Prozent wäre notwendig, um Erneuerungsinvestitionen zu finanzieren. Die meisten Spitäler in der Schweiz schaffen das nicht.