Studie: Mehr Telemedizin = weniger unnötige Tests

Digitale Konsultationen bewegen Ärzte womöglich zu einer selektiveren Diagnostik: Wo es mehr Telemedizin gibt, kommen gewisse Routinetests seltener zum Einsatz. Dies besagen neue US-Daten.

, 5. März 2025 um 06:06
image
Symbolbild: Medinside (KI, gemacht mit Midjourney).
Telemedizin verändert nicht nur den Zugang zur medizinischen Versorgung, sondern wohl auch den Umgang mit Diagnostik: Jedenfalls besagt eine aktuelle Studie, dass Spitäler und Praxen mit hoher Telemedizin-Nutzung seltener Low-Value-Tests durchführen – also Untersuchungen mit begrenztem Nutzen.
Erarbeitet wurde die Studie von Medizinern des Brigham and Women's Hospital in Boston: Ein Team um die Internistin Ishani Ganguli untersuchte Korrelationen zwischen Telemedizin-Nutzung diversen Diagnose-Untersuchungen. Dafür wertete es Daten von über 2 Millionen Patienten des amerikanischen Medicare-Systems respektive aus 286 Gesundheitsorganisationen aus; es prüfte dabei den Einsatz von zwanzig verschiedenen Untersuchungen, etwa von Zervikalabstrichen, Screening-EKGs, Metabolic Panels, Trijodthyronin-Tests oder von Bildgebung bei leichteren Rückenschmerzen.
Es zeigte sich, dass Spitäler und Praxen mit einem höheren Telemedizin-Einsatz tendenziell weniger Tests durchführen liessen. Oder genauer: Bei 7 der 20 möglichen Untersuchungen stellten die Forscher einen signifikant tieferen Wert fest. Für die anderen 13 Low-Value-Tests gab es keine belastbaren Abweichungen.
Natürlich leuchtet dies irgendwie ein: Insbesondere Untersuchungen, die üblicherwesie direkt in der Praxis durchgeführt werden, kamen seltener zum Einsatz. Denkbar aber auch – so eine Interpretation der Autoren –, dass Telemedizin-Ärzte ohnehin dazu neigen, selektiver vorzugehen: Sie ordnen weniger reflexartig Routinetests an.

Die Kostenröhren-Frage

Unterm Strich ergab sich ein Ergebnis, das günstiger war – zumindest rein aus der Perspektive des Aufwands beziehungsweise aus «Kostenröhren»-Sicht. Gesundheitssysteme, die intensiver mit Telemedizin arbeiteten, hatten insgesamt mehr Konsultationen, und zwar sowohl physisch als auch virtuell. Dabei kam es jedoch nicht zu einer vermehrten Nutzung ineffektiver Untersuchungen.
Diese Erkenntnis widerspricht zumindest teilweise der gelegentlich geäusserten Sorge, dass Telemedizin letztlich auch zu mehr (zweifelhafter) Diagnostik führen könnte. Eher deutet sich nun an, dass Telemedizin helfen kann, ineffektive Untersuchungen zu reduzieren, ohne die Versorgung zu verschlechtern. Oder wie es Lead-Autorin Ishani Ganguli formuliert: «Diese Ergebnisse geben den Entscheidungsträgern die Gewissheit, dass eine Ausweitung der Telemedizin-Abdeckung Vorteile mit sich bringen kann – etwa eine geringere Nutzung sowie tiefere Ausgaben für eine Reihe von Tests mit wenig Nutzen.»
Artikel teilen
  • Share
  • Tweet
  • Linkedin
  • Whatsapp
  • Telegram
Kommentar

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Was ist Ihr Beruf?

Wo arbeiten Sie?*

undefined
undefined

*Diese Angaben sind freiwillig. Sie bleiben im Übrigen anonym.
Warum bitten wir Sie darum? Medinside bietet Ihnen die Informationen und Beiträge kostenlos. Das bedeutet, dass wir auf Werbung angewiesen sind. Umgekehrt bedeutet es idealerweise auch, dass Ihnen auf Medinside möglichst nur Werbung gezeigt wird, die zu Ihnen passt und die Sie interessant finden könnten.
Wenn wir durch solche Erhebungen Angaben über das allgemeine Profil des Medinside-Publikums gewinnen, nützt dies allen: Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, uns und unseren Kunden. Vielen Dank!


Mehr zum Thema

image

Digitales Personaldossier für das Gesundheitswesen

confer! AG bietet ein digitales Personaldossier für Firmen im Schweizer Gesundheitswesen an. Das Besondere? Das digitale Personaldossier lässt sich mit Workflows automatisieren und die Daten werden in der Schweiz gespeichert. Eine Kombination, die im Gesundheitswesen auf grossen Anklang stösst.

image

HUG: Erster Chatbot für Allgemeinmedizin in der Schweiz

Nach einer zweijährigen Testphase führt das Universitätsspital Genf einen medizinischen Chatbot ein, der mit Künstlicher Intelligenz redet und Patienten betreut.

image

Solothurner Spitäler holen Chief Information Officer vom KSA

Thomas Seiler folgt im September auf Elke Albrecht.

image

Diagnosehilfen: KI kocht auch nur mit Wasser

Ein Team des Inselspitals Bern untersuchte erstmals die Wirkung eines KI-gestützten Diagnosesystems in der Akutmedizin. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

image

Aargau: Neue Pilotprojekte in der Telemedizin

Mit Medgate testet der Kanton ein Telemedizin-Angebot in Pflegeheimen und in der Spitex – um rascher reagieren zu können und um Hausärzte zu entlasten.

image

Epic, Cistec, Ine: Gravierende Löcher bei Schweizer KIS

Das Nationale Testinstitut für Cybersicherheit prüfte die Klinikinformationssysteme grosser Spitäler - und entdeckte Sicherheitslücken, die Zugriff auf Patientendaten ermöglichten.

Vom gleichen Autor

image

Andrea Rytz verlässt die Schulthess-Klinik

Die Direktorin sucht neue berufliche Herausforderungen – wo, ist noch offen. Die Nachfolgesuche läuft bereits.

image

Koordinierte Versorgung: Netzwerke sind vom Tisch

Der Ständerat beriet über das Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Er plädierte nun ebenfalls für Mengenrabatte bei umsatzstarken Medikamenten.

image

Insel: Neuer Chefarzt an der Universitätsklinik für Neurologie

Kaspar Schindler ist seit 2018 schon Mitglied der Klinikleitung. Nun wird er Chefarzt im Bereich Epilepsie und Schlaf.