Ein Team am
Augenforschungsinstitut IOB und an der Universität Basel spürt den Ursachen erblicher Erkrankungen der Netzhaut nach. Die Forschenden schaffen damit wichtige Voraussetzungen für Gentherapien gegen das Erblinden.
Bisher sind über 300 Gene bekannt, in denen Mutationen zum Erblinden führen können. Dank DNA-Sequenzierung und computerbasierter Analysen haben Forschende um Carlo Rivolta in den letzten Jahren mehrere neue Gene beschrieben.
«Wir bekommen nicht nur DNA von Patientinnen und Patienten am Augenspital des Universitätsspitals Basel, sondern auch ungeklärte Fälle anderer Spitäler. Bei zwei von drei können wir die genetische Ursache identifizieren», erzählt der Leiter der Forschungsgruppe «Ophthalmic Genetics» am Augenforschungsinstitut IOB, das mit der Universität Basel assoziiert ist.
Hoffnung Gentherapie
Die Hoffnung im Kampf gegen solche Erkrankungen ruht auf Gentherapien, um das Sehvermögen zu erhalten oder wieder herzustellen. Dank Methoden wie der Genschere Crispr-Cas9 und deren Weiterentwicklungen könne man den Fehler im betroffenen Gen korrigieren,
heisst es in der Mitteilung.
Das Auge liesse sich mit dieser Methode einfacher behandeln als manch anderes Organ, weil es für Therapien besser zugänglich ist. Nur muss dafür klar sein, welches Gen es zu reparieren gilt. Und genau hier liegt die Herausforderung, denn: Allein hinter der bekanntesten erblichen Netzhauterkrankung, der Retinitis pigmentosa, können Veränderungen in einem von 65 Genen stecken.
Bei der Retinitis pigmentosa bemerken Betroffene anfangs, dass sie nachts nicht mehr gut sehen. In einem späteren Stadium verlieren sie das Sehvermögen in der Peripherie. Ihr Blickfeld verengt sich zu einem Tunnel, der immer kleiner wird und sich letztlich ganz schliesst. Bei der Makuladystrophie ist es genau umgekehrt: Hier verlieren Betroffene zuerst das Zentrum ihres Blickfelds. Sie können Gesichter nicht mehr erkennen, keine Schilder mehr lesen, den Handybildschirm nicht mehr sehen.
Die Nadel im Heuhaufen
Rivolta vergleicht die Suche nach der entscheidenden Genveränderung denn auch mit der nach einem bestimmten Sandkorn in zwei Abfalltonnen voll Sand. Es sei vor allem ein Filterprozess, so Rivolta.
«Wir vergleichen das Erbgut der Patientin oder des Patienten mit dem von vielen anderen Personen. Varianten in der DNA-Sequenz, die häufig vorkommen, können wir aussortieren.» Die besonders seltenen markieren sie als verdächtig und vergleichen sie mit den Genomdaten anderer Betroffener mit Netzhauterkrankungen.
Weniger ungeklärte Fälle
Der Anteil ungeklärter Fälle sei dank aufwändiger Erbgut-Analysen, wie sie unter anderem Rivoltas Team entwickelt hat, immer weiter geschrumpft und die Forschenden sind überzeugt, dass sich viele Netzhauterkrankungen in nicht allzu ferner Zukunft mit Gentherapien werden behandeln lassen.
Das industrielle Interesse sei durchaus vorhanden. Und wenn eine neue Gentherapie entwickelt wird, gebe es dank der Detektivarbeit der Genetikerinnen und Genetiker entsprechende Datenbanken, um diejenigen Patientinnen und Patienten zu rekrutieren, die davon profitieren könnten.