Der Streitfall liegt schon 13 Jahre zurück: Eine damals 47-jährige Frau wurde am frühen Nachmittag in die Notaufnahme eines Genfer Spitals eingeliefert, da sie sich unwohl fühlte und erbrechen musste. Sie wurde im Wartezimmer untergebracht, weil es sonst nirgends Platz gab.
Zuerst Hyperventilation vermutet
Viermal schaute das Pflegepersonal und einmal ein Arzt nach ihr. Der Oberarzt in der Notaufnahme, vermutete einen Hyperventilationsanfall in Verbindung mit einer Angststörung.
Erst nach 1 Uhr nachts wurde die Patientin in den Pflegebereich verlegt. Bei ihrer Verlegung stellten die Krankenschwestern unter anderem fest, dass sie nicht mehr sprach. Der Assistenzarzt, der Nachtschicht hatte, untersuchte sie sofort.
Erhebliche Folgeschäden
Ein CT-Scan des Gehirns um 5 Uhr und eine um 8 Uhr durchgeführte Kernspintomographie des Gehirns zeigte, dass die Patientin einen Schlaganfall hatte. Am selben Tag wurde ihr mittels eines Katheters ein Blutgerinnsel entfernt.
Nach mehreren Aufenthalten auf der Intensivstation, in der Neurologie und anschliessend in der Rehabilitation konnte die Patientin nach vier Monaten zwar wieder nach Hause zurückkehren. Doch sie hatte erhebliche Folgeschäden davongetragen.
Zuerst zwei Millionen Franken verlangt
Die Patientin forderte deshalb vom Spital zuerst zwei und später eine Million Franken Schadenersatz. Das Spital habe mehrere schwere Fehler begangen, insbesondere, weil sie so lange habe warten müssen.
Zuerst kam das kantonale Gericht aufgrund des Gutachtens eines Notfallabteilungs-Leiters zum Schluss, dass das Spital keine Pflichten verletzt habe. Die Diagnosestellung sei wegen des schleichenden Verlaufs des Schlaganfalls besonders schwierig gewesen. Ausserdem sei die Notfallstation überlastet gewesen. Es sei auch nicht klar, inwieweit die Folgeschäden bei der Patientin mit einem schnelleren Eingriff hätten vermieden werden können.
Zuerst freigesprochen, dann wieder verurteilt
Aufgrund dieses Gutachtens wurde das Spital zuerst freigesprochen. Später – nach einem neuen Gutachten – hätte das Spital rund 160'000 Franken zahlen sollen, weil das Gericht befand, dass ein Anteil von 15 Prozent des erlittenen Schadens dem Spital zuzuschreiben sei.
Nach etlichem Hinundher wandte sich das Spital ans Bundesgericht. Dieses entschied nun zugunsten des Spitals. Es stützte sich auf ein Gutachten, wonach bei dem vorliegenden speziellen Schlaganfall (einer sogenannten Basilarisläsion) nicht wie bei einem klassischen Schlaganfall einigermassen sicher berechnet werden könne, innert welchen Fristen die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung sinken.
Es sei deshalb nicht genügend klar, dass die Patientin weniger Schäden davongetragen hätte, wenn sie schneller behandelt worden wäre.
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