Nicht nur linke Kreise klagen über die zunehmende Prämienbelastung. Auch Bürgerliche tun dies, namentlich von der Mitte-Partei. Und doch plädiert der bürgerlich dominierte Nationalrat in der
Efas-Debatte von letzter Woche dafür, die freiwilligen Spitalkostenzusatzversicherungen um 100 bis 150 Millionen Franken zu entlasten und im gleichen Umfang die obligatorische Grundversicherung zu belasten. Dies ohne Not.
Efas oder Status quo?
Es geht um die Frage, ob die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (Efas) auch für Vertragsspitäler gelten soll, oder ob für sie am Status quo festzuhalten sei. Der Ständerat hatte sich in der vergangen Dezembersession für den Status quo ausgesprochen - einstimmig.
Gemäss der heute gültigen Regelung erhalten die Vertragsspitäler von den Krankenversicherern aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) 45 Prozent der stationären Kosten zurückerstattet. Der Rest wird von den freiwilligen Spitalzusatzversicherungen beigesteuert.
Bei Efas hingegen steigt der Anteil der OKP je nach dem auszuhandelnden Schlüssel 75 Prozent, während der Kanton den Rest bezahlt.
Das letzte Wort fehlt noch
Nun, der Nationalrat stimmte mit 107 zu 85 Stimmen entgegen des Ständerats und auch entgegen der Mehrheit der vorberatenden Kommission, so dass die Vertragsspitäler künftig auch Kantonsbeiträge erhielten, obschon sie vom Kanton keinen Leistungsauftrag haben. Der Konjunktiv deshalb, weil der endgültige Entscheid erst im Differenzbereinigungsverfahren fallen wird.
Was für die Kantone zentral ist
Weil es in der Nationalratsdebatte von letzter Woche niemand so genau ausdrückt, sei hier der Obwaldner Mitte-Ständerat Erich Ettlin zitiert. In der
Dezembersession sagte er in seiner Funktion als Kommissionspräsident: Die Einführung von Efas auch bei Vertragsspitälern «würde zu einer Attraktivitätssteigerung der Vertragsspitäler führen und damit zu einer Mengenausweitung und auch zu einer Relativierung der Spitalplanung.»
Hier hätten die Kantone zurückgemeldet, so Ettlin weiter, dass ihnen insbesondere dieser Punkt wichtig sei. «Die Spitalplanung mit der Zulassungssteuerung ist ja, wie schon gesagt, für die Kantone zentral.»
Die Floskel des Wettbewerbs
Im Nationalrat begründet nun die bürgerliche Seite die Aufwertung der Vertragsspitäler mit dem Argument des Wettbewerbs. So sagt etwa die Aargauerin Martina Bircher von der SVP: «Die Anwendung einer einheitlichen Finanzierung auch auf diese Art von Spitälern ermöglicht es nämlich, den Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern zu stärken, was letztlich zu Kosteneinsparungen führt.» Eine ziemlich steile These.
Auch FDP-Mann Andri Silberschmidt bricht eine Lanze für den Wettbewerb. Die Erklärung bleiben sie schuldig, wie ein Wettbewerb bei diesem stark regulierten und von Fehlanreizen durchsetzten Markt zu Kostensenkungen führen soll.
Der grünliberale Jörg Mäder, seines Zeichens Doktor der Wissenschaften der ETH Zürich, sagt nämlich gerade das Gegenteil: Die Stärkung der Vertragsspitäler wären «höchstwahrscheinlich mit einem Kostenwachstum von 100 bis 150 Millionen Franken verbunden», sagt er im Namen seiner Fraktion.
So wird die Spitalplanung unterlaufen
Für die SP ist die Vergütung der Vertragsspitäler ein «absolut zentraler Punkt», meint die St. Gallerin Barbara Gysi. «Es kann nicht sein, und es ist nicht nachvollziehbar, dass Vertragsspitäler mit zusätzlichen Prämiengeldern finanziert, also gegenüber der heutigen Situation bessergestellt werden sollen.» Auch könne man nicht zulassen, dass der Kostenanteil, der über die Prämien finanziert wird, jetzt einfach um fast 60 Prozent ansteigen soll. «Es kann nicht sein, dass mit dem Prämiengeld einer Handwerkerin oder einer Reinigungsfachfrau die Vertragsspitäler plötzlich zusätzliche Abgeltungen bekommen - Spitäler notabene, die auch keine Aufnahmepflicht haben», so die Gewerkschafterin Gysi in der Ratsdebatte.
Noch etwas kann laut Barbara Gysi nicht sein: «Wenn Sie hier die Vertragsspitäler besserstellen, dann unterlaufen Sie die Spitalplanung der Kantone.»
Für SP-Nationalräin Barbara Gysi ist die Vergütung der Vertragsspitäler ein «absolut zentraler Punkt».
Die wenigsten Privatspitäler sind Vertragsspitäler
Katharina Prelicz-Huber sagt in der Ratsdebatte: «Wir wollen keine Übersteuerung der kantonalen Spitalplanung, und wir wollen auch keine Übervorteilung der Privatspitäler. Diese sind schon heute privilegiert und können rentieren, weil sie ein Minimum an Allgemeinpatienten und -patientinnen und ein Maximum an Privatpatienten und -patientinnen aufnehmen, und bei Komplikationen können sie sie abgeben, beispielsweise an ein Unispital. Wir wollen hier eine klare Festlegung auf die Vergütung von maximal 45 Prozent.»
Moment: Was heisst hier «Übervorteilung der Privatspitäler»? Ist nicht die Rede von den Vertragsspitälern? Haben wirklich alle den Unterschied zwischen Vertrags- und Privatspital verstanden? Prelicz-Huber ist nicht die Einzige, die ivon Privatspitälern spricht.
Dabei erklärte SVP-Nationalrat Thomas de Courten zu Beginn der Debatte, worum es geht: «Wir sprechen über die Vertragsspitäler. In der Schweiz gibt es rund 280 Spitäler. Es gibt öffentliche Spitäler, es gibt private Spitäler, es gibt Spitäler auf der Spitalliste und es gibt Spitäler ohne Spitalliste.»
Anders gesagt: Auch Privatspitäler stehen auf Spitallisten. Sie sind nicht Gegenstand der Debatte. Laut de Courten gibt es in den Kantonen Zürich, Genf und Waadt insgesamt etwa zehn Vertragsspitäler, «welche nicht auf der Spitalliste stehen und als sogenannte Vertragsspitäler von den Krankenversicherern aus der OKP 45 Prozent der stationären Kosten zurückerstattet bekommen.»
«Wir wollen keine Übervorteilung der Privatspitäler», so die grüne Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber. Bei der Debatte ging es aber um die Vertragsspitäler. | Screenshot