Nervenschäden durch Chemo: Einfaches Training könnte helfen

In einer Studie der Uni Basel konnte leichtes Training das Risiko von Chemotherapie-induzierter peripherer Neuropathie um bis zu 70 Prozent senken.

, 18. Oktober 2024 um 07:46
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Sporttherapie gegen Nebenwirkungen: Fiona Streckmann mit einer Patientin bei einer neurologischen Untersuchung. Mit einer Stimmgabel wird das Vibrationsempfinden geprüft, das bei einer Neuropathie verändert sein kann. (Foto: Universität Basel, Florian Moritz)
Viele Krebstherapien, insbesondere Chemotherapien, verursachen Nervenschäden, die bleibende Beschwerden wie Schmerzen und Taubheitsgefühle hinterlassen können.
Bisher sind Medikamente gegen diese Schäden weitgehend wirkungslos. Ein Forschungsteam um Fiona Streckmann von der Universität Basel und der Deutschen Sporthochschule Köln hat nun herausgefunden, dass gezieltes Training während der Therapie solche Nervenschäden in vielen Fällen verhindern kann. Diese Ergebnisse, veröffentlicht im Fachjournal «JAMA Internal Medicine» zeigen, dass Bewegungstherapie das Risiko für Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN) deutlich verringern kann.
  • Preventive Effect of Neuromuscular Training on Chemotherapy-Induced NeuropathyA Randomized Clinical Trial
  • Fiona Streckmann, Thomas Elter, Helmar C. Lehmann,
  • JAMA Intern Med. 2024;184(9):1046-1053. doi:10.1001/jamainternmed.2024.2354
In der Studie mit 158 Krebspatienten, welche die Chemotherapeutika Oxaliplatin oder Vinca-Alkaloide erhielten, zeigte sich, dass begleitendes Training während der Chemotherapie Nervenschäden deutlich reduziert. Die Teilnehmenden wurden in drei Gruppen aufgeteilt: eine Kontrollgruppe ohne Training, eine mit Gleichgewichtsübungen und eine mit Training auf der Vibrationsplatte.
Die Resultate nach fünf Jahren zeigten, dass in den Trainingsgruppen bis zu 70 Prozent weniger Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN) auftrat. Zudem verbesserte das Training die Lebensqualität und senkte die Sterblichkeitsrate.
Am meisten profitierten die Teilnehmenden vom sensomotorischen Training, also dem Gleichgewichtstraining auf instabilem Untergrund.
«Das Potenzial körperlicher Aktivität wird enorm unterschätzt», sagt Fiona Streckmann. Sie hoffe sehr, dass mit Ergebnissen wie den jetzt veröffentlichten vermehrt Sporttherapeuten auch an Spitälern beschäftigt werden, um dieses Potenzial besser auszuschöpfen.

Wirkungslose Medikamente

Denn: Trotz erheblicher Investitionen gibt es bislang keine wirksame medikamentöse Therapie gegen Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN). «Diese Nebenwirkung hat einen direkten Einfluss auf die klinische Behandlung, etwa weil die eigentlich notwendigen Zyklen der Chemotherapie nicht mehr eingehalten werden, die Dosis der Krebsmedikamente reduziert oder die Therapie ganz abgebrochen werden muss», erklärt Streckmann.
Jährlich werden in den USA bis zu 17'000 Dollar pro Patient ausgegeben, um die Nervenschäden zu behandeln, obwohl Studien zeigen, dass Medikamente nicht in der Lage sind, diese zu verhindern oder zu beheben.

Kostengünstig

Im Gegensatz dazu lasse sich der positive Effekt des Trainings belegen und diese Behandlung sei im Vergleich sehr kostengünstig, betont die Sportwissenschaftlerin. Derzeit arbeitet sie mit ihrem Team an einem Leitfaden für Spitäler, um das Training als begleitende Massnahme zur Krebstherapie in die klinische Praxis zu bringen. Zudem läuft seit 2023 eine Studie an sechs Kinderspitälern in Deutschland und der Schweiz (PrepAIR), die das Training als Massnahme gegen CIPN auch in der Kinderonkologie prüfen soll.

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