Ärztelöhne: Wissen Sie, was ein «Key Risk Taker» ist?

Ärztegehälter im Millionenbereich? Kein Problem. Wir wagen die Behauptung, dass sie in der Bevölkerung viel Verständnis finden. Entscheidend ist, welche Kriterien dabei zur Anwendung kommen.

, 26. Februar 2018 um 07:09
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Man merkt es schon in den Leserbrief- und Kommentarspalten der Massen- und Online-Medien: Die seit knapp drei Wochen laufenden Debatten um Ärztehonorare sind ein hübscher Medien- und Politstoff, mehr nicht. Sie lassen die breite Öffentlichkeit kühl. Kein Vergleich zu den Multimillionen-Honoraren für Banker und andere Manager, zu den «Abzocker»-Debatten von früher.
Kein Wunder auch: 350'000 bis 1 Million Franken für hochrangige Spitalärzte? Über 1 Million für vereinzelte niedergelassene Spezialisten? Solche Summen wirken heute ja fast schon niedlich. Alleine UBS und Credit Suisse beschäftigen zusammen rund 1'600 so genannte «Key Risk Takers»: Das sind Angestellte, die über 1 Million Franken verdienen; im Schnitt holen diese «Risikonehmer» etwa 1,75 Millionen Franken pro Kopf. 
Man muss gar nicht erst die Verantwortung eines Chefarztes mit der eines Vermögensverwalter-«Risk-Takers» genauer vergleichen: Das Verhältnis mutet auch so schon reichlich grotesk an.
Und leicht liessen sich weitere Vergleiche anführen – man denke nur an Direktoriums-Mitglieder grosser Krankenkassen.

Was ist mit Angebot und Nachfrage?

Der Punkt dabei: Nimmt man fast alle anerkannten Kriterien zur Lohnfestsetzung, so kommt man eher zum Schluss, dass Chefärzte oder Leitende sogar mehr verdienen müssten als zahllose Vergleichs-Profis. Aufwand und Dauer der Ausbildung? Verantwortung? Unternehmerischer Spielraum? Reputationsrisiken? Und last, but not least: Angebot und Nachfrage?
Die Liste zeigt, wo die wirklichen «Key Risk Takers» sind. Und die Entwicklung lässt ahnen, dass der Arbeitsmarkt hier ohnehin noch für steigenden Lohndruck sorgen wird; man denke an die mittlerweile bedenklich steigenden Ausstiegsraten bei Kaderärzten. 

Wir reden am Thema vorbei

Die laufende Debatte lebt davon, dass bislang zuwenig Transparenz herrschte im Bereich der Ärztegehälter; aber sie verpasst den eigentlichen Kern. Denn es ist in der Tat stossend, wenn die Höhe des Einkommens von Medizinern mit Mengenkomponenten verhängt ist.
Die letzte Woche dauernd zitierte Studie des Vergütungsspezialisten Urs Klinger zielt genau darauf ab. «Variable Vergütung sollte höchstens 20 – 30 % der fixen Vergütung ausmachen», so Klinglers Vorschlag für ein neues Vergütungskonzept: «Sie sollte auf funktionsbezogene Leistung ohne Anreize bezüglich Mengen fokussiert werden und auf medizinische Leistung und Qualität sowie Kostenbewusstsein ausgerichtet sein.» Und weiter: «Der Arzt sollte medizinisch unabhängig handeln können ohne Bezug zu seiner eigenen Vergütung.»
Aber dieser Aspekt ging dann im Medienrauschen rund um Millionensaläre völlig unter.

«Neiddebatte»

Ähnlich argumentierte übrigens auch Gregor Zünd, der Direktor des Zürcher Unispitals USZ. Die Diskussion über die Chefarztlöhne sei eine «Neiddebatte», sagte Zünd im «Tages-Anzeiger». Saläre über einer Million bildeten «nicht die wirklichen Probleme, die wir haben.» Um die Kosten im Gesundheitswesen zu senken, müsse man woanders ansetzen.
«Unser System setzt falsche Anreize», so der USZ-Generaldirektor im Tagi. «Es ist darauf ausgerichtet, möglichst viel zu operieren. Die Qualität dagegen spielt heute bei der Entschädigung keine Rolle.»
Sinnvoller sei es also, dass gewisse Qualitätsindikatoren tarifwirksam werden, etwa die Infektionsrate: Liegt diese in einem Spital über mehrere Jahre über einem gewissen Wert, würde das Spital einen Abschlag auf der Fallpauschale erhalten.
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