In der Schweiz beträgt der Personalaufwand für die Pflege um die 5.5 Milliarden Franken, was bei den 60'000 Pflegefachleuten im Schnitt rund 92'000 Franken jährlich ausmacht. Verdient das Pflegepersonal zu viel oder zu wenig? Diese Frage lässt sich kaum beantworten. Denn was zu viel ist, ist für einen anderen vielleicht zu wenig - und umgekehrt.
Vielmehr erscheint die Erkenntnis wichtig, dass Löhne in der Pflege im Vergleich zu anderen Branchen noch zu häufig nach Alter und Ausbildung bestimmt werden. Die Funktion und der Funktionserfüllungsgrad kommen nur ungenügend zur Betrachtung, wie der Vergütungsexperte Urs Klingler in einer seiner Analysen zeigt.
Lohnbandbreite im Schnitt zwischen 50 bis 100 Prozent
Denn für die Lohnfestsetzung berücksichtigen kantonale Lohnsysteme primär die Ausbildung und das Alter. So sind laut Klingler diese Lohnsysteme der Kantone sehr breit, im Durchschnitt 50 bis 100 Prozent und ohne klare Regeln für die Gehaltsfestsetzung. Zwei Beispiele:
- Die Funktion Pflegehelfer/in kann in die Lohnklassen 6 bis 9 eingeordnet werden. Der mögliche Lohn: zwischen 47‘416 und 81‘667 Franken, was eine mögliche Lohnbandbreite von über 72 Prozent bedeutet, die sich über 4 Lohnklassen und jeweils 31 Lohnstufen erstreckt. Dabei sind die Einstufungskriterien laut Vergütungsexperte Urs Klingler unklar.
- Die Funktion Leiter/in Pflegedienst kann in die Lohnklassen 20 bis 24 eingeordnet werden. Auch hier beträgt der mögliche Lohn mindestens 96‘649 Franken und maximal 198‘377 Franken, was eine mögliche Lohnbandbreite von über 205 Prozent bedeutet.
Screenshot Präsentation Urs Klingler
Urs Klingler ist CEO / Managing Partner der Beratungsfirma Klingler consultants. Er ist Autor von mehreren Fachartikeln und leitet unter anderem den Studiengang Compensation & Benefits Management an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich. Kontakt: urs.klingler@klinglerconsultants.ch
Funktionskatalog mit klaren Zuordnungen gefordert
Die Funktionen in den kantonalen Lohnsystemen werden nicht den Funktionen der Pflegenden und der täglich geleisteten Arbeit gerecht, wie Klinger erklärt. Und in den Gesamtarbeitsverträgen (GAV) sei alles, was eher unwichtig sei, detailliert und kompliziert geregelt. Zu den Löhnen und den Funktionen hingegen finde man meistens kaum Ausführungen. Für den Vergütungsprofi und Unternehmensberater ist klar: «Es herrscht grosser Bedarf, die Pflegelöhne auf Funktionen auszurichten mit genauen Zuständigkeiten und Bezeichnungen».
Für ihn ist das Pflegepersonal zudem «zu viel/hoch ausgebildet» und dennoch «zu wenig auf die Funktion vorbereitet». Generell sei die Behandlung von Patienten ein Vorgang, bei dem diverse Funktionen Hand in Hand arbeiten. Somit sind für einen adäquaten Umgang hierarchische, von den Ärzten dominierte Einzelfallanweisungen in einem qualifizierten Behandlungsprozess nicht mehr zeitgemäss, wie er weiter erklärt.
«Die Prozesse in den Spitälern können zu Gunsten der Pflege standardisiert und professionalisiert werden», sagt Vergütungsspezialist Urs Klingler. Dies reduziere die Belastung und erhöhe die Attraktivität des Berufes, ist er überzeugt.